Lied und Tiefe

Musikalische Andacht in Dresden-Plauen mit John Dowland und Barbara Strozzi

Die Reihe der Musikalischen Andachten in der Dresdner Auferstehungskirche hat sich etabliert und findet weiterhin Besucher, obwohl man mittlerweile verschiedene kulturelle Angebote nutzen kann. Gestern abend gab es wieder ein ganz besonderes Programm, als einmal mehr Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert erklang. Anders als sonst waren es jedoch gesungene und mit einem Virginal begleitete Werke, berührende Lieder John Dowlands und Barbara Strozzis dramatisches »L’Amante segreto« (Der heimliche Liebhaber), die mit feinen, sinnlichen Farben verschiedenen Seelenzuständen nachspürten.

Marie Hänsels klarer, lyrischer Sopran ist wie geschaffen, solche Feinheiten auszukosten, ob in der Schlichtheit und Direktheit (aber auch Ironie) Dowlands oder in den glühenden und emotionalen Farben Barbara Strozzis. Vor allem manche der Dowland-Lieder kennt man oder kann ihren (englischen) Texten vielleicht leichter folgen als den an Opernszenen gereichenden  »L’Amante segreto«, das voller Verzweiflung, Stolz und Liebe steckt und die Götter herauszufordern scheint (zumindest hier wäre der Text auf dem Programmzettel interessant gewesen).

Während sich die Liedtexte vor allem der Liebe, dem Leben und seinen Unwägbarkeiten zuwandten, war mit dem Johannistag (24.) im Kirchenkalender schon ein besonderes Datum eingetragen. Pfarrer Stephan Sawatzki erinnerte an noch ein zweites: am 25. Juni 1530 war die Augustana, auch Augsburger Konfession genannt, ein grundlegendes Bekenntnis der lutherischen Reichsstände, auf dem Reichstag in Augsburg verabschiedet worden.

Doch ließen sich die Inhalte beinahe spüren, so symbiotisch waren Marie Hänsel und ihre Begleiterin Elisabeth Hecker. Letztere steuerte zusätzlich noch Stücke von Peter Philips (aus dem »Fitzwilliam Virginal Book«) und William Byrd bei. Verblüffend – gilt ein gleichmäßiger Klangcharakter und eine konstante, gleichmäßige Dynamik bei Klavieren heute doch als bevorzugt und ist Standard. Dagegen zeigen die alten Instrumente durchaus erhebliche Unterschiede. Das erlaubt nicht nur unterschiedliche Charakteristiken von Begleit- und Melodiestimme (auch ohne Register, Lautenzug und ähnlichem), ermöglicht aber andererseits verblüffende Effekte. So verfügt Elisabeth Heckers schönes Virginal über eine wunderbare Singstimme und einen samtenen Baß, kann wie eine Harfe klingen oder ganz eindeutig und klangmalerisch Tropfen (die Tränen in John Dowlands »Flow my tears«) darstellen.

Solchermaßen ließ sich trefflich sinnen und vergleichen – über John Dowland, der mit der Erfahrung des Lebens über eigene und beobachtete Begebenheiten berichten mochte, auf jeden Fall wohl deren Ausgang kannte und selbst nicht unbedingt »betroffen« war, während Barbara Strozzi ganz unmittelbar, emotional und impulsiv Gefühle direkt in Musik umsetzte.

Die Reihe Musikalische Andachten in der Auferstehungskirche geht weiter. Am 9. (Musik für Violine und Klavier) und 23. Juli (Musik für Cembalo) werden jeweils um 19:30 Uhr Hörerinnen und Hörer erwartet.

26. Juni 2021, Wolfram Quellmalz

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