Cembalist Mahan Esfahani erobert bei den Silbermann-Tagen sein Publikum
Der iranisch-amerikanische Cembalist und Musikwissenschaftler Mahan Esfahani ist ein spektakulärer Typ, der es manchmal aber auch darauf anzulegen scheint. Schon einige Male fiel er mit Aussagen oder Aktionen auf, die man vielleicht provokant nennen könnte. Nun hatten die NMB endlich Gelegenheit, ihn einmal »in Aktion« bei einem Konzert zu erleben – schließlich wollen wir ihn in seinem Spiel erleben. Für die Teilnehmer der Orgelfahrt war es nach einer Einkehr in Helbigs Gasthof Voigtsdorf (Dorfchemnitz) ein krönender Abschluß.
Auch das Programmheft des freitäglichen Abendkonzertes in der Clausnitzer Kirche, immerhin von Esfahani mitverfaßt, enthielt manche provokante Formulierung. Von »grauenhaften Nachbildungen« ist da die Rede, im Vergleich »mit dem vielgereisten [Domenico] Scarlatti« heißt es weiter, »kommt der gleichaltrige Bach als Stubenhocker daher.« Allerdings lohnt es immer, genau zu lesen, denn im gleichen Text finden sich Mahan Esfahanis Ansätze, sich Musik zu nähern – in dieser Annäherung liegt schließlich eine Grundlage der Interpretationen. So hat sich der Cembalist unter anderem mit aufführungspraktischen Dingen auseinandergesetzt wie dem Problem, daß Bach seine Ouvertüren für den zweiten Teil der Clavier-Übungen transkribieren mußte, da seine Cembali einen begrenzten (zu kleinen) Tonumfang hatten – Esfahani hat sich vom Leipziger Instrumentenbauer Martin Schwabe, einem Spezialisten für alte Tasteninstrumente, ein Cembalo nach einem historischen Vorbild anfertigen lassen, das Bachs Ansprüchen ohne Transkription genügt.

Ganz ehrlich – man sollte sich nicht provozieren lassen. Einen Programmhefttext kann man gegebenenfalls im nachhinein lesen. Auch vom Starrummel, den manche um Mahan Esfahani veranstalten, muß man sich nicht beeindrucken lassen. Viel besser ist es, sich anzulehnen und ihm zuzuhören.
Der Name Giles Farnaby ist heute wenig geläufig, eher noch jener der Sammlung, in der viele von Farnabys Kompositionen eingegangen sind, das Fitzwilliam Virginal Book. Zu Lebzeiten war Giles Farnaby ein berühmter Virginalist – die drei Stücke »Farmer’s Paven«, »Tell me, Daphne« und »Woody-Cock« offenbarten sich sogleich als typisch englische Virginal- oder Cembalomusik, wobei hier – wie so oft – der Gesang der (Semi-)Opera nicht weit war, schien es doch, als ob die angesprochene Daphne letztlich die erbetene Antwort schuldig blieb (oder sich zumindest zierte)?
Mit Johann Sebastian Bachs Chromatischer Phantasie und Fuge BWV 903 präsentierte Mahan Esfahani ein erfrischendes Stück abendländlicher Musikkunst. Mit deutlichen Pausen in und nach den einleitenden Akkorden ordnete Esfahani die Struktur (und hob die Toccata am Beginn ein wenig hervor), ließ die Phantasie sodann freizügig schießen und bewahrte in der durch Terz und Quint beherzt aufsteigenden Fuge die Gelassenheit.
Noch luftiger wurde es danach in fünf der großartigen Sonaten von Domenico Scarlatti. Der Solist wollte sich vorab nicht festlegen, welche der sagenhaften 555 es sein sollten und entschied sich erst direkt vor dem Konzert spontan – da der Tag (seine Worte) ein wenig kühl und regnerisch gewesen war – für a-Moll (K 109), B-Dur (K 57), d-Moll (K 516), und zweimal C-Dur (die Schwestern K 420 und 421). Womit also verbindet Mahan Esfahani einen kühlen, leicht regnerischen Tag? Mit graziöser Musik, die ein Himmelsmotiv ausspinnt (K 109), mit grazil verspielter Schönheit (K 57), mit gemächlich, verträumten Klängen (K 516) sowie agitativen, perkussiven Belebungen (K 420 und 421). Vor allem die erste der beiden C-Dur-Sonaten hob er in die Höhe eines Allegro vivace – nicht erst hier hatte sich jede Diskussion um Ankündigungen oder Programmhefttexte erübrigt.
Bachs Kosmos spannte Mahan Esfahani nach der Pause mit der Französischen Ouvertüre h-Moll (BWV 831) noch ein wenig weiter auf. Sie geriet als munteres Frage-und-Antwort-Spiel, das in stetiger Folge zurückhaltend, in sich gekehrt oder gar innig und ausgelassen fröhlich geriet. Solche Spielart, -lust und -laune steckte an, das Publikum zumindest zum Jubeln. Dafür bekam es noch zwei superbe Zugaben serviert: ein Ground von Henry Purcell und eine ergötzliche Gavotte von Jean-Philippe Rameau.
11. September 2021, Wolfram Quellmalz
Das Konzert wurde von Deutschlandfunk Kultur mitgeschnitten und erklingt am 23. September im Rahmen der Reihe Alte Musik »Nachklang«.
Am Sonntag gehen die Silbermann-Tage mit einem Konzert der Regensburger Domspatzen und den drei Gewinnern des XV. Internationalen Gottfried-Silbermann-Orgelwettbewerbes im Freiberger Dom zu Ende. Ganz aktuell stehen seit eben die Plazierungen fest: Sebastian Heindl (Deutschland) und Afonso Torres (Portugal) belegen je einen 2. Platz, der 3. Preis geht an Johannes Friederich (Deutschland).