Orgelfahrt der Silbermann-Tage ins Erzgebirge
Die Königin der Instrumente wird nicht nur 2021, da die Orgel Instrument des Jahres ist, besonders gewürdigt. Zumindest in Mitteldeutschland, einer der wichtigsten Orgelregionen der Welt, wo es eine eigene »Orgelschule« mit zahllosen Werkstätten gegeben hat, ist man sich auch ohne Anlässe wie Themenjahre oder Jubiläen darum bewußt. Und so kann man auch einmal abschweifen.

Am Freitag machte sich eine Reisegruppe von Freiberg aus auf eine Orgelfahrt, geführt vom Organisten, Cembalisten und Kirchenmusiker Jan Katzschke. Als Mitglied der Silbermann-Gesellschaft kennt er durchaus auch die anderen Orgeln und Orgelbauer, und gerade die, aus der Zeit vor Gottfried Silbermann sowie dessen Zeitgenossen, standen diesmal im Mittelpunkt. Somit erklang zur Orgelfahrt der Silbermann-Tage einmal keine Silbermann-Orgel.
Die Instrumente der besuchten Kirchen kennt Jan Katzschke sehr gut, nicht zuletzt, weil er in den neunziger Jahren Kantor im Erzgebirge war. In dieser Zeit entdeckte er auch die Oehme-Orgel der Zethauer Kirche und setzte sich für deren Restaurierung ein – 2001 war sie schließlich abgeschlossen. Die auf dem Berg liegende Zethauer Kirche und ihr ebenso wunderschönes wie wunderbar klingendes Instrument waren das (vorläufig) letzte Ziel der Orgelfahrt (woran sich später noch ein Abendkonzert mit Mahan Esfahani anschloß à bei uns im folgenden Bericht).
Die ersten Stationen hatten Lippersdorf und Mittelsaida geheißen, wobei Jan Katzschke schon unterwegs im Bus vorbereitende Worte fand. Und dies nicht nur eloquent, sondern auch wissend und von vielen Seiten beleuchtet. Denn der Kirchenmusiker wußte anschaulich über Musik, Werkstätten und Personen zu berichten und sparte auch manche Anekdote nicht aus. Wirklich erhellend war dies unter anderem für jene, die sich historisch interessieren, an den Lebens-Läufen nachvollziehen konnten, was den aus Meißen stammenden Gottfried Fritzsche – er ist der wohl früheste bekannte Orgelbaumeister – mit dem norddeutschen Arp Schnitger verbindet (Fritzsche ging später nach Hamburg und prägte den Orgelbau da, bevor er starb). In der Vielzahl der oft kleinen Werkstätten und durch die Umstände mancher Umbauten sind nicht wenige Urheber von Orgeln heute unbekannt – es war dazumal nicht unbedingt üblich, den Namen prunkvoll am Instrument anzubringen. Die Mode, Flügel für den Konzertbesucher gut lesbar seitlich zu beschriften, stammt erst aus unseren Tagen, während (siehe Bild der Kirche in Zethau) an den Orgeln oft ein »Ehre sei Gott in der Höhe!« angebracht war. Die Lippersdorfer Orgel stammte, vermutet man heute, vom Orgelbaumeister Gottfried Richter aus Pomßen bei Döbeln.
Ohne Zweifel bekannt ist dagegen, daß das herrliche Instrument der Zethauer Kirche von Adam Gottfried Oehme stammte. Es sieht nicht nur (fast) aus wie eine Silbermann.-Orgel, es ist auch (beinahe) eine – Oehme war zuvor Werkstattleiter bei Silbermann gewesen und führte sie nach Silbermanns Tod unter seinem Namen weiter. Dabei war er darauf bedacht, alles weitere im Sinne seines verehrten Meisters zu bauen und erhielt auch Aufträge, bestehende Silbermann-Orgeln zu pflegen. Was ihn nicht hinderte, hier und da doch kleine Änderungen vorzunehmen. Selbstverständlich nicht technischer Art, in der Bauweise oder die handwerkliche Qualität betreffend. Aber im Geschmack, dem Klang der Register und Stimmen gab es schon ein paar Änderungen.
Davon konnten all jene erfahren, die nicht nur historisch, sondern auch im Orgelbau interessiert waren. Und wer noch Nachholbedarf hatte, was »Prinzipalpfeifen«, »Achtfuß«, »Vierfuß« oder »Mensur« bedeuten, bekam hier sachkundige Auskunft auf hohem Niveau.
Der Zethauer Grüne Schule Grenzenlos e. V. bewirtete die Reisegruppe zwischendurch während einer Pause – die regionale Pflaumenernte gab es hier in frischem Kuchen aus dem Holzofen sowie später (vor der Kirche) noch einmal frisch gepflückt zu probieren.
11. September 2021, Wolfram Quellmalz