In den Gemächern des Sonnenkönigs

Gemeinhin kennt man Ensemble wie diese aus den Dresdner Kirchen oder erwartet sie in einem Palais, doch Norbert Schuster hat mit seiner Cappella Sagittariana Dresden bereits moderne Räume wie jene des Militärhistorischen Museums besucht. Am Freitag waren sie auf Einladung der Philharmonie Gast im Dresdner Kulturpalast. Das Konzert war gleichzeitig eine Kooperation – für den Philharmonischen Chor Dresden eine Möglichkeit, sich der französischen Barockliteratur zu nähern.

Die Zeitreise führte tief ins 17. Jahrhundert, zum Sonnenkönig und seinen Superintendant, seinen Maître de Musique, jenen Kapell- und Musikmeister, die für Theater-, Opern- und Ballettaufführungen verantwortlich waren – wobei sich in Frankreich oft alle drei Genres vereinigten. Ein Maître mußte und wußte aber auch, Kammermusik zu schreiben und aufzuführen. Michel-Richard Delalandes Deuxième Fantasie ou Caprice que le Roi demandoit souvent (eine häufig vom König gewünschte und für ihn aufgeführte Phantasie und Laune) und Marc Antoine Charpentiers Suite pour quatre parties de viols waren zwei solcher Werke, allerdings höchst unterschiedlichen Charakters, selbst wenn die Caprice ebenso einer Suite nahekam. Delalandes Werk begleitete einen Empfang, ein Banquet – höfisch, gravitätisch, elegant schritt sie nebenher, während Charpentiers Werk durchaus mehr Aufmerksamkeit erfordert, dem Plaisir eines Konzertpublikums gewidmet war.

Einen Meilenstein nicht nur des Hofes von Versaille, sondern der Musikgeschichte, stellte »Le Bourgeois gentilhomme« (»Der Bürger als Edelmann«) dar, von keinem geringeren als Molière verfaßt, die Musik schrieb Jean-Baptiste Lully. Die Cappella Sagittariana war nun nicht nur auf höfische Orchestergröße gewachsen, sondern stand jetzt unter der Leitung von Norbert Schuster (zuvor Daniel Deuter als Konzertmeister), der den Zusammenhalt deutlich konzentrierte. Das für ein Fest geschriebene Werk spielt mit allen Attributen der Festlichkeit, von den miteinander interagierenden Soli und herausgestellten Bläsern bis hin zu Schellen und anderen effektvollen Schlagwerken. Die Musik allein kann munter und abwechslungsreich sein, selbst wenn es kein Ballett dazu gibt!

Im zweiten Konzertteil kam schließlich der Philharmonische Chor (Einstudierung: Gunter Berger) zu einem großen Auftritt. Groß, weil man sich – bei jedem Chor derzeit – immer fragt, in welchem Zustand er ist. Groß aber auch, weil es schlicht ein großer Chor mit vielen Sängerinnen und Sängern ist – man ist solches schlicht nicht mehr gewöhnt!

Der Zustand ist nicht nur gut, er ist bemerkenswert gut, denn sowohl in Henry du Monts »Magnificat anima mea« (aus der Motettensammlung für die Chapelle du Roy) als auch Marc Antoine Charpentiers Te Deum fiel die Geschlossenheit und Ausgewogenheit, die gute Artikulation auf. Hier gab es weder übermäßig hervortretende Stimmgruppen noch schienen die Sänger angestrengt oder bemüht – wie gesagt: die Werke gehörten nicht zum Kernrepertoire des Chores.

Für viele Besucher war es eine Freude, Charpentiers Te Deum einmal im ganzen kennenzulernen, also mehr als nur das Prélude. Heidi Maria Taubert und Nora Steuerwald (Sopran), Beat Duddeck (Alt), Falk Hoffmann (Tenor), Clemens Heidrich (Bariton) und Felix Schwandtke (Baß) sorgten als Solisten dafür, die Textpassagen auszuleuchten, während die Cappella Sagittariana, darunter viele Philharmoniker wie Daniel Thiele mit seinem mittlerweile Zweitinstrument Gambe, die instrumentalen Effekte putzten.

16. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz

Weitere Informationen: http://www.cappella-sagittariana-dresden.de

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