Lisa Batiashvili und Mozart in der Dresdner Frauenkirche
Am Sonnabend kehrte die Dresdner Philharmonie in die Frauenkirche zurück, die unweit des Domizils Kulturpalast zu den wichtigsten Auftrittsorten des Orchesters gehört. Wie oft für diesen Raum wählte sie dafür einen besonderen Dirigenten als Gast aus: François Leleux. Er war unter anderem lange Solooboist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, arbeitet mittlerweile aber seit einigen Jahren schon auch als Dirigent.
Zum Konzert nach Dresden reiste er mit seiner Frau, der Violinistin Lisa Batiashvili, an, zudem hatte er ein besonderes Stück in seinem musikalischen Gepäck: Qigang Chens »L’eloignement« (Die Entfernung) für Streichorchester. Darin war es dem Messiaen-Schüler gelungen, fernöstliche (chinesische) und westliche Musik zu einer Synthese zu führen. Als musikalisches Material genügten ihm zwei Motive, ein kurzes, expressives (westlich) sowie ein Liedzitat (chinesisch), das er variabel in eine fließende Textur einfügt. Damit erreicht Qigang Chen schon in den Motiven Formenvielfalt zwischen schlichtem Gesang, reflex- und impulshafter Kammermusik sowie elegischer Weite, wobei diese Intarsien in einem mal stehenden, mal beweglichen Gewebe eingebunden sind, die »Entfernung« ergibt sich aus einer Art Driftbewegung. Die Philharmoniker arbeiteten dies unter François Leleux‘ Leitung schwebend und mit Sorgfalt heraus.
Mit Lisa Batiashvili betrat eine der bezauberndsten Violinstimmen den Raum – sie verfügt über einen ganz besonderen, einzigartigen Ton. Sehr sanft und fast leise ist er, bleibt aber immer durchsetzungsfähig und kraftvoll, im ganzen Raum vernehmbar. Wolfgang Amadé Mozarts Violinkonzert A-Dur (KV 219) erquickte nicht allein mit seinen Überraschungen, die – wiewohl alle bekannt – nichts von ihrer Wirkung verloren haben. Es war gerade Batiashvilis Ton, der sich mit der Kantabilität eines Vögelchens in die Lüfte hob. Richtung, Leichtigkeit oder Vitalität verlieh ihm die Violinistin mit einer feinen Phrasierung. Selbst zwei Töne folgen bei ihr nicht nur aufeinander, sie haben einen Verlauf, werden angeschliffen oder mit kleinen »Schluchzern« verbunden. Die Philharmonie umfing die Solistin als vielstimmiger Chor mit herrlichem Hornsolo (Sarah Ennouhi), KV Johannes Pfeiffer erwiderte das Gezwitscher der Violine auf der Oboe. Und plötzlich war das Vögelchen verschwunden, denn zu den Überraschungen des Werks gehört noch Mozarts luftiger »Schluß ohne Schnörkel«.
Diesen (Schnörkel) gab es in einer ergötzlichen Zugabe von Lisa Batiashvili und François Leleux, der nun seine Oboe hervorgeholt hatte, in einer ganz persönlichen Fassung der »Rachearie«.
Luftig und federleicht ging es weiter. Dafür sorgte noch einmal Mozart, von dem nun die Sinfonie g-Moll (KV 550) auf den Pulten lag. Dabei konnte sich das Publikum über eine um Flöten, Klarinetten und Fagotte vervollständigte Holzbläsergruppe erfreuen, die munter ihre Girlanden auswarf und im Andante kleine, bewegliche Abwärtskaskaden fallenließ. François Leleux sorgte mit dynamischen Schattierungen dafür, daß der lebendige Fluß nicht zum Erliegen kam, daß eine Wiederholung nicht ins formale »noch einmal« abglitt. Mit einem spritzigen Allegro assai war zunächst Schluß, doch es dürfte nicht der letzte Ton dieser Kombination gewesen sein.
7. November 2021, Wolfram Quellmalz