Verschiedene Töne in blau mit Denny Wilke

Marcel Duprés Orgelwerke sind keineswegs eindeutig »französisch«

Nach dem Auftakt des Dresdner Orgelzyklus‘ in der Vorwoche, zu dem Frauenkirchenorganist Samuel Kummer unter dem Titel »Ziemlich beste Freunde« (nach einem französischen Film) Werke von Bach, Franck und Charles-Valentin Alkan gespielt hatte, führte im Denny Wilke am Mittwoch in der Kreuzkirche vor, daß man »französisch« in der Musik keineswegs nur mit einer bestimmten Klangfarbenästhetik oder einem Impressionismus gleichgesetzt werden darf. Denny Wilkes Programm war, obwohl dezidiert Marcel Dupré gewidmet, vielfältig.

Gleichzeitig knüpfte der Organist dort an, wo andere, wie Daniel Roth im letzten Jahr etwa, französische Musik präsentiert hatten – Roth ist Titularorganist an St. Sulpice de Paris, ein Amt, das Marcel Dupré 37 Jahre innehatte. Er war nicht nur ein hochbegabter Pianist, der bereits mit 16 Jahren, als er sein Studium begann, die Klaviersonaten von Mozart und Beethoven auswendig spielte, er arbeitet auch versessen an Klang und Technik. Zehn bis zwölf Stunden am Tag (!) soll er an der Orgel geübt haben – das Talent allein war für ihn wohl zu wenig, um sich darauf zu verlassen.

Dieses und ähnliches führten Denny Wilke und Kreuzorganist Holger Gehring, sein Gastgeber, vorab im Gespräch unter der Stehlampe aus, das diesmal noch etwas unterhaltsamer und anekdotenreicher ausfiel als manches Mal sonst. Denny Wilke hatte für den 50. Todestag des Komponisten im vergangenen Jahr ein Jubiläumsprogramm erarbeitet, was bereits einige Male erklungen ist, in Merseburg und Bozen, das Konzert im Gewandhaus zu Leipzig, woher der Auftrag ursprünglich kam, wird demnächst nachgeholt. Somit stand und steht Denny Wilke immer wieder vor der Aufgabe, an ganz verschiedenen Orgeln und in ganz unterschiedlichen Räumen das umzusetzen, was Marcel Dupré erreichen wollte. Der Komponist habe sehr genaue Klangvorstellungen gehabt und diese, weiß Wilke, mitunter sehr detailliert beschrieben.

In seiner Paraphrase sur une mélodie de Beethoven »Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre« setzte Marcel Dupré das Liedthema in den Mittelpunkt, erhielt die Gesanglinie im Gestus, Denny Wilke spielte statt des gesungenen Textes eine musikalisch-emphatische Entsprechung. Später im Programm, in den acht Präludien Opus 45, war deren Ursprung, Gregorianische Gesänge, dagegen nicht mehr vordergründig auszumachen. Der Komponist ging viel freier damit um, fügte, gewichtete und justierte die Stimmen neu. So erklangen acht kleine Charakterstücke mit einer Spannweite zwischen gedämpft und dunkel, sanft schimmernd und vital auflodernd. Im letzten der Stücke, Verbum supernum, offenbarte Denny Wilke eine tänzerische Freude, welche die Grenze zum Jazz überschritt – kein »Impressionismus«. Der »Tanz« fand dabei auf Manualen und Pedalen statt, Dupré erfordert dezidiert Finger- und Fußfertigkeit.

Und doch ist er bei allen Grenzgängen beispielhaft Französisch, wenn er sinfonisch wird, wie in der Bearbeitung »Interlude Symphonique de Rédemption« (César Franck). Das Werke beeindruckte nicht nur mit seiner schieren Monumentalität, sondern zudem mit einem unwiderstehlichen Fluß – vielleicht waren es solche Momente, wenn Dupré selbst sagte, an seinem Instrument zu spielen, sei »eine Art Rausch« (Programmtitel des Abends).

Daß Marcel Dupré sehr gesanglich komponieren konnte, davon hatte zu Beginn bereits Choral et Fugue gezeugt. In seinem Poème héroïque band Denny Wilke sinnliche, gesangliche und sinfonische Momente zu einem poetischen Strauß, der in ein wogendes Finale mündete.

24. Februar 2022, Wolfram Quellmalz

Es bleibt französisch: Im nächsten Konzert des Dresdner Orgelzyklus‘ (2. März) kehrt Thierry Escaich an die Orgel des Kulturpalastes zurück, der dann unter anderem eigene Werke spielen wird. Am 16. März spielt Bernhard Haas (München) an der Orgel der Kreuzkirche erneut französische Werke. Dazwischen, am 9. März, präsentiert sich der neue Domorganist Sebastian Freitag erstmals im Rahmen eines der Konzerte in der Katholischen Hofkirche mit Werken von Friedrich Wilhelm Zachow, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn und John Cook (Beginn jeweils 20:00 Uhr, »Gespräch unter der Stehlampe« in der Kreuzkirche am 16. März um 19:19 Uhr)

http://www.dresdnerphilharmonie.de

http://www.kreuzkirche-dresden.de

www.bistum-dresden-meissen.de

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