Twentytwo-Ensemble Dresden gestaltete die Kreuzvesper vor Sexagesimae
Die Abiturienten des Dresdner Kreuzchores treten gewöhnlich als besondere, aus dem Chor herausgelöste Gruppe in Erscheinung, präsentieren sich und Konzerten und verabschieden sich, bevor sie nach der Schulzeit unterschiedlichen Lebenswegen folgen. Dabei ist keineswegs festgelegt, daß sie beim bekannten Repertoire bleiben müssen – manche suchen Erweiterungen oder gar Grenzüberschreitungen, andere fassen gerade die Musica sacra als zentralen Kern ihres Verständnisses auf. Mitunter bleiben die Formationen zumindest eine Zeitlang erhalten, dem Twentytwo-Ensemble Dresden kann man eigentlich nur wünschen, daß ihm – sollten Ausbildung, Studium oder Berufe der acht Sänger auch sehr verschieden sein – eine dauerhafte Zukunft beschieden ist. Denn was der junge Männerchor am Sonnabend in der Kreuzvesper bot, war höchst eindrucksvoll.
Karl Pohland leitete als Primus inter pares aus der Reihe heraus, sang also mit, statt als Dirigent davorzustehen. Das ermöglicht einen noch innigeren Zusammenschluß, erfordert aber, daß alle noch mehr aufeinander achten, hören. Handzeichen gelten meist nur der Struktur, dem Zeitmaß und Einsätzen.
Musik braucht Struktur, im Wesen macht sie jedoch etwas anderes aus: ein Charakter, eine Stimmung. Und die brachte das Twentytwo-Ensemble gekonnt und wandlungsfähig hervor. Den Stimmen nach klassisch mit je zwei Sängern besetzt (Alt, Tenor 1, Tenor 2, Baß), ist damit keineswegs eine konstante Klangfarbe festgeschrieben. So begann die Vesper nach Holger Gehrings Präludium zum Einzug und Günther Ramins Alta trinita beata (Hohe, heilige Dreifaltigkeit) ungemein hell. Mit Gottfried August Homilius wandten sich die Sänger darauf einem der wichtigsten Kreuzkantoren der Geschichte zu. In seinem Domine ad adjuvandum me (Herr, eile mir zu Hilfe!) traten die Bässe nun viel deutlicher in den Vordergrund. Joseph Haydns »Du bist’s, dem Ruhm und Ehre gebühret« zeigte, daß gerade in der Schlichtheit ein berührender, unmittelbarer Zugang zur Musik besteht. Die Reinheit der Stimmen und diese Unmittelbarkeit waren wohl die bestechendsten Merkmale der Vesper, die von einer großen Ruhe der Gemeinde geprägt war.
Mit »Wer nur den lieben Gott läßt walten«, das auch als Titel über dem Programm stand, und dem Abendgesang »Der Tag hat sich geneiget« am Ende der Vesper trat Karl Pohland noch als Komponist hervor. Seine Choralmotette (Wer nur den lieben Gott …) folgte in der ersten und dritten Strophe einem bewegten und durchfluteten Lebensweg, während die zweite betont auf dem Wort »Was« (helfen uns die schweren Sorgen?) verweilte. Den Text der vierten (dann fugiert durchdrungen) nahm OKR Dr. Martin Teubner in seinem Geistlichen Wort auf, als er vom Lebensweg des Dichters Georg Neumark in unsere Zeit wechselte, zum Miteinander und zu einer Kommunikation, die nicht auf einer Technik, sondern auf Begegnung beruhe.
Zur konzentrierten, beruhigten Stimmung dieser Vesper der Vorpassionszeit trugen außerdem Heinrich Schütz‘ »Die Furcht des Herren« (SWV 318) mit den Solisten Jonathan Seifert und Elias Jordan (Alt) sowie Karl Pohland an der Kontinuo-Orgel und Eugène Thomas‘ Kyrie bei.
Zwischen die Chorwerke war die vierte Triosonate (e-Moll, BWV 528) Johann Sebastian Bachs (Kreuzorganist Holger Gehring an der großen Orgel) gebettet. Sie begann mit einem nachdenklichen Gesang, eine Nachdenklichkeit, die im Andante wiederkehrte, bevor das Un poco Allegro den wieder frohen Lebenspfaden folgte.
20. Februar 2022, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Sonnabend gestalten Leipziger Gäste die Kreuzvesper. Der Canzonetta Kammerchor Leipzig (Leitung: Gudrun Hartmann) und Thomas Lennartz (Orgel) lassen Werke von Josef Gabriel Rheinberger, Johann Rosenmüller, Georg Friedrich Händel und anderen erklingen, Liturg: Pfarrer Holger Milkau, mehr unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de
Wer mehr über das Twentytwo-Ensemble Dresden erfahren möchte, kann deren Facebook-Seite besuchen: facebook.com/twtwoensemble