Singakademie Dresden startet in eine ereignisreiche Spielzeit
Der Wechsel bei der Singakademie Dresden fand mitten im Corona-Loch statt. Keine guten Aussichten für Michael Käppler, möchte man meinen, der 2021 die Leitung von Ekkehard Klemm übernahm. Klemm hatte den Großen Chor und den Kammerchor über siebzehn Jahre geprägt. Auch beim Kinderchor der Singakademie gab es einen Wechsel: Claudia Sebastian Bertsch, eine echte »Zugkraft«, übergab ihr Amt an Robert Schad, der bereits den Seniorenchor betreut. Während die anderen Chöre wegen der großen Treue der Mitglieder keinen Schwund zu beklagen haben, fehlt es dem Kinderchor an Sänger bzw. wird das Werben schwierig – pandemiebedingte Einschränkungen schlossen direktes Agieren und Werben, etwa an Schulen, nahezu aus. Chorproben über digitale Plattformen wie Zoom eignen sich wenig, um die Aufmerksamkeit von Kindern zu binden und können kaum mehr als ein »kleinster Nenner« (also besser als gar nicht zu machen) sein.
Doch das soll nun anders werden, wenn sich in den nächsten Wochen die Bedingungen für die Chorarbeit hoffentlich verbessern werden, die Singakademie wird gleichzeitig einen seit langem gehegten Plan umsetzen und einen Jugendkammerchor gründen. Ausbau und Aufbau also statt Resignation und Stagnation. Der neue Chor soll vor allem Schüler und Studenten (Zielalter: 17 bis 27 Jahre) ansprechen und zwei Bedürfnisse aufgreifen: jenes nach einer kontinuierlichen Arbeit mit regelmäßigen, wöchentlichen Proben sowie projektbezogene Chorwochenenden, welche solche Sänger einschließen können, die nicht mehr in Dresden wohnen (weil sie anderswo studieren), an Wochenenden aber dazukommen können. Informationen zum neuen Jugendkammerchor gibt es in Kürze auf der Internetseite der Singakademie Dresden, Interessenten können schon jetzt Kontakt aufnehmen.
Ausbau und Aufbau statt Resignation und Stagnation gilt auch sonst. Michael Käppler will weniger ein anderes Profil oder einen anderen Klang (der ohnehin Geschmackssache ist) erarbeiten. Viel wichtiger sei – gerade jetzt, nach den langen Monaten ohne direkte Proben – wieder und mehr aufeinander zu hören. Also noch mehr Flexibilität? Das neue Programm fällt vor allem mit Kontrasten und Gegensätzen auf, mit Gegenüberstellung und gesellschaftlich relevanten Themen. Singen in der Singakademie, so Käppler, soll mehr sein als ein Singen im Sinne eines Konsumierens.
Die Versprechen solcher Ankündigungen füllt das Jahresprogramm mit Inhalten. Zu den wichtigen Terminen in diesem Jahr zählt Michael Käppler zwei Termine im Herbst: am 20. November heißt es »Kunstglauben und Glaubenskunst«. Der »Glauben« wird dann nicht nur im religiösen Sinne aufgegriffen, sondern auch in seinen Entlehnungen, wie der »Vergötterung« Richard Wagners. Auszügen aus den »Meistersingern« werden Werke von Felix Draeseke und Alexander Zemlinsky gegenüberstehen, ein anderer Fokus liegt auf einer Uraufführung: »Meistersinger reloaded« ist ein Werk, das von einer künstlichen Intelligenz auf Basis von Werken Richard Wagners geschrieben wird. Für das Projekt konnten die TU Darmstadt und AlephAlpha aus Heidelberg gewonnen werden. Mit Felix Draeseke, der in Dresden wirkte, gibt es übrigens noch weitere Begegnungen im Jahresplan.
Umtriebigkeit und Schöpferkraft kennzeichneten die Arbeit der Singakademie in den letzten Jahren und führten zu vielen Ur- und Erstaufführungen. Das wird bleiben: In diesem Jahr gibt es vier Uraufführungen, die erste in der Karfreitagsandacht zur Sterbestunde am 15. April (Annenkirche). Später im Juli wird der Seniorenchor der Singakademie »(Un)Bekanntes aus der großen Welt der Chormusik« präsentieren. Als einen weiteren Höhepunkt kündigt Michael Käppler den »Adventsstern« am 4. Dezember (Loschwitzer Kirche) an. Dann wird neben zwei Magnificat-Vertonungen Johann David Heinichens, Wiederaufführungen nach fast 300 Jahren (!), »A Song for Simeon« von Franz Kaern uraufgeführt. Aktualität und gesellschaftliche Relevanz bleiben auch hier, schließlich sei Simeon, so Michael Käppler, einer derer gewesen, die zwar glaubten, dennoch aber von Zweifeln geplagt waren.
Zweifel wollen ausgesprochen, diskutiert werden. Vor dem Konzert am 14. Mai in der Trinitatiskirchruine gibt es eine Podiumsdiskussion. »Wachstum und Stille« stehen sich abends in drei höchst unterschiedlichen Werken von Morton Feldman, Torsten Reitz und Charles Ives gegenüber. Zuvor wird die Wachstumsgläubigkeit besprochen. Zugesagt haben neben Torsten Reitz Tobias Funke (Pfarrer) von der Initiative »anders wachsen« sowie Nina Treu (Referentin vom Konzeptwerk Neue Ökonomie Leipzig).
Natürlich bleiben wichtige Programmpunkte der Singakademie wie das Deutsche Requiem (Oktober), »Carmina Burana« (September, nun wieder auf der Felsenbühne Rathen) oder die Aufführung Beethovens 9. Sinfonie zum Jahreswechsel im Plan. Auch Kooperationen wie mit der Elbland Philharmonie Sachsen oder der Batzdorfer Hofkapelle bestehen fort.
Das nächste Konzert und der Auftakt 2022 ist »Beethoven in Afrika«, gleichzeitig das Abschiedskonzert von Ekkehard Klemm, schon am Sonnabend kommender Woche in der Kreuzkirche Dresden.
März 2022, Wolfram Quellmalz
Weitere Informationen und Termine unter: http://www.singakademie-dresden.de