»Wir müssen im Gespräch bleiben«

Auftakt zu den Feierlichkeiten 5 Jahre Neuer Kulturpalast

Vor fünf Jahren wurde der umgebaute Dresdner Kulturpalast wiedereröffnet. Neben dem »Hausorchester«, der Dresdner Philharmonie, fanden neu die Städtischen Bibliotheken Dresden und das Kabarett Herkuleskeule hier ihr zu Hause. Wenige Monate später wurde die Konzertsaalorgel eingeweiht, für die – ursprünglich weder bedacht noch geplant – der damalige Vorsitzenden des Fördervereins der Dresdner Philharmonie Lutz Kittelmann unermüdlich Spenden gesammelt hatte. Schließlich kamen die ersten Gastorchester – heute ist der Kulturpalast der zentrale Spielort der Dresdner Musikfestspiele.

Er ist heller, freundlicher, offener geworden, hat seinen Platz im kulturellen Leben da gefunden, wo es geographisch bereits stand: mittendrin. So gehörte der Palast auch in den letzten Monaten oft zu den ersten Kulturstätten, die wieder öffneten, immer neue Hygienekonzepte erarbeiteten. Dies und fünf Jahre – das darf man feiern!

Die ersten fünf Jahre dieser neuen Ära werden nun gefeiert. Zum Auftakt am Freitag traf Literatur Musik – keine Seltenheit im Haus, denn so wie die Einführungsvorträge der Philharmonie in den Räumlichkeiten der Bibliothek stattfinden, waren schon manche Buchvorstellungen und Lesungen im Konzertsaal zu erleben.

Literarischer Gast war der Autor Bernhard Schlink. In Süddeutschland aufgewachsen, lebt er heute in Berlin. Grundrechte und die Verfassung beschäftigen ihn nicht allein als gelernten Juristen, die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte schlägt sich immer wieder in den Personen- und Familiengeschichten seiner Romane nieder. Nun konnte das Publikum ein wenig von beiden Seiten kennenlernen – Bernhard Schlink erzählte im Gespräch mit Katrin Schumacher (mdr Kultur) von seiner juristischen Laufbahn, Anekdoten aus seinem Leben (wie er einst am Berliner Alexanderplatz mit dem Trabant liegenblieb, nicht wissend, daß man bei diesem Modell einen Bezinhahn öffnen muß) und las zwei längere Passagen aus seinem neuesten Buch »Die Enkelin«. Die Moderation bzw. Thesenfragen neigten leider etwas zur Länge und Naivität – natürlich kann sich Bernhard Schlink der Enkelin im Buch nähern, auch wenn diese in einem völkischen Elternhaus großgeworden ist. Schließlich seien Meinungen, Tendenzen und Ansichten, ob nun »anders« oder extrem, in unserer Zeit keine Seltenheit, fast jeder findet Beispiele im eigenen Umkreis, seien es Freunde oder die Familie. Für Bernhard Schlink ist es wichtig, »den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen«.

Die Lesepassagen führten einfühlsam zu den Personen der verstorbenen Großmutter, ihres Mannes und der Enkelin. Obwohl es für das Buch einen persönlichen »Auslöser« gab, ist das Buch keine Aufarbeitung des eigenen Lebens, sondern eine Auseinandersetzung mit der Erinnerung und dem Leben. Schlinks Vortrag blieb dabei frei von Aufarbeitungs- oder Belehrungsrhetorik, die Brüche, Unmöglichkeiten und Inkonsequenzen des Lebens inbegriffen.

Umrahmt wurde der Abend von Musikern der Dresdner Philharmonie und dem Pianisten Christoph Berner, der zwischen den Lesungen das Andante grazioso aus der Sonate KV 331 Wolfgang Amadé Mozarts spielte, weil dieses für die Enkelin im Buch zum Übungsstück wird. Spannend waren die beiden Sextette für Bläserquintett und Klavier von Francis Poulenc und Louise Farrenc. Während Farrenc für einen romantisch-galanten Ausklang sorgte, arbeiteten DivertiVenti (Claudia Rose / Flöte, Michael Goldammer / Oboe, Fabian Dirr / Klarinette, Felix Amrhein / Fagott sowie Julius Rönnebeck / Horn) und Christoph Berner besonders die bei aller Einfachheit und Klarheit in Poulencs Komposition enthaltene Subtilität knisternd heraus. Das Werk verquickt nicht nur unterschiedliche Charaktere mit gegensätzlichen Teilen in jedem der Sätze, ihm schien – gerade in dieser Interpretation – ein latentes Ungemach innezuwohnen. Etwas dunkles, das plötzlich unter einer scheinbar glatten Oberfläche hervorbricht – wie in Bernhard Schlinks Roman.

1. Mai 2022, Wolfram Quellmalz

Bernhard Schlink »Die Enkelin«, 368 Seiten, 25,- €, erschienen bei Diogenes (auch als e-Book)

Bis zum kommenden Sonntag gibt es Veranstaltungen im Rahmen der Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag des neuen Dresdner Kulturpalastes. Mehr dazu unter: http://www.dresdnerphilharmonie.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s