Stiller Ausklang fragt nach mehr

Barock.Musik.Fest mit polyphonem Gesang beendet

Am Ende umfing eine Stille das Publikum, wie sie für viele Konzerte des Barock.Musik.Festes kennzeichnend gewesen war – zwischen den Werken wurde kaum applaudiert, meist gelangen den Ensembles so geschlossene, verdichtete Aufführungen, daß niemand diese Atmosphäre durchbrechen wollte.

So war es auch am frühen Sonntagabend noch einmal, als das Ensemble Polyharmonique »in Sachen Schütz« in die Schloßkapelle gekommen war. Hier hatte der Sagittarius in schweren Zeiten einen Niedergang des musikalischen Lebens am Sächsischen Hof verhindert und noch mit kleinster Kapelle eine kompositorische Blüte erreicht, was sich nun an der authentischen Stelle nachempfinden ließ. Daß wir die Schloßkapelle heute wieder besuchen können, ist ein Resultat des geschichtlichen Verlaufes: In den 1730er Jahren entweiht und umgebaut, existierte sie bereits über zweihundert Jahre nicht mehr, als das Schloß 1945 zerstört wurde. Der dieser Zerstörung folgende Wiederaufbau ermöglichte dann die Rekonstruktion – für das Resultat kann man nur dankbar sein, versuchte Intendantin Christina Siegfried die komplexen und auch tragisch behafteten Zusammenhänge in ihrer Begrüßung zu fassen.

Ensemble Polyharmonique in der Dresdner Schloßkapelle. Photo: Heinrich Schütz Musikfest / Mitteldeutsche Barockmusik e. V., © Mathias Marx

Die Empore, auf der Polyharmonique Aufstellung genommen hatte, ist eine Stahlkonstruktion, kein Provisorium zwar, aber noch nicht fertiggestellt. Sie befindet sich da, wo schon David Conrads Stich von 1676 eine Musikempore zeigt. Damals war sie gerade wenige Jahre alt – Heinrich Schütz hatte die meiste Zeit in Dresden ohne musiziert. Die Frage, wo Sänger und Musiker damals standen, ist nicht nur musikhistorisch interessant, sondern für jeden Auftritt heute von Bedeutung.

Das Ensemble Polyharmonique sang meist mit à 6, mit zwei Sopranen, Alexander Schneider als Primus inter pares und Altus sowie Tenor und Baß. Ganz dem minimalistischen Ansatz (bzw. den Bedingungen damals) folgend wurden sie nur von einem kleinen, aber feinen Basso continuo (Juliane Laake / Violone, Klaus Eichhorn / Orgel) unterstützt. Und es zeigte sich: die Wirkung der Worte, die sich von oben herabsenkten, war fast ungeheuerlich. Eine hervorragende Verständlichkeit war dafür die Voraussetzung, die Wirkung ergab sich aus Betonungen und dramaturgisch fein herausgearbeiteten Wendungen, wie in Andreas Hammerschmidts »Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn« (HaWV 449). Was zunächst geradezu in tiefe Trauer gehüllt schien (»Darum bricht mir mein Herz«), gewann in der freudvollen Wiederholung vitalen neuen Lebensmut. Zuvor bereits hatte Polyharmonique zwei zusammengehörige Psalmvertonungen des Komponisten auch musikalisch aufs innigste verbunden. Später gab es zwischen Schütz‘ Kompositionen unglaublich feine Miniaturen wie von Johann Vierdanck (»Meine Harfe ist zur Klage geworden«).

Zu Beginn, in Teilen aus Heinrich Schütz‘ Geistlichen Chormusiken, war die Homogenität noch nicht ganz hergestellt. Die Soprane klangen hier teilweise dominant durch, während die Tenorstimme zwischen Alt und Baß beinahe verschwand. Im zweiten Konzertteil war dies ausgeglichener, nachdem einige der Werke in kleinster Besetzung mit nur einfachen Stimmen gesungen worden waren, wie der so wohlbekannte, von Christoph Bernhard vertonte Text »Wie der Hirsch schreit«. Er berührte um so mehr!

Den Abend, der mit einem andachtsvollen »Nun bitten wir den heiligen Geist« von Michael Praetorius begonnen hatte, führte schließlich eine Trias – nun wieder zu sechst – mit Heinrich Schütz‘ »Unser Wandel ist im Himmel« (SWV 390), »Selig sind die Toten« (SWV 391) und Johann Hermann Scheins »Nun danket alle Gott« auf einen klangsinnlichen Gipfel.

Man kann sich nur wünschen, daß – musikalisch wie in der Aufarbeitung und Auseinandersetzung – an dieser Stelle einmal fortgefahren wird. Das Heinrich Schütz Musikfest wird seinen Beitrag dazu wieder spätestens ab 7. Oktober leisten.

Zuletzt vom Ensemble Polyharmonique erschienen: Johann David Heinichens »Dresden Vespers« (Accent) und »12 Madrigalische Trostgesänge« von Wolfgang Carl Briegel (cpo)

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