Dresdner Musikhochschule bietet Podium für den Nachwuchs
Céline Moinet, Solooboistin der Sächsischen Staatskapelle Dresden, sorgt als Professorin an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden selbst für den Nachwuchs der Orchester. Wenn möglich, lädt sie Kollegen zu Meisterkursen ein und veranstaltet ein »Oboenfest«. Freitag und Sonnabend war es wieder soweit: als Gast und Dozent in diesem Jahr hatte sie Prof. Olivier Stankiewicz, Solo-Oboist des London Symphony Orchestra und Professor an der Royal Academy of Music London eingeladen. Zu den Meisterkursen kamen Schüler, die sich auf Jugend musiziert vorbereiteten, internationale Studenten, aus Prag, Hongkong und Madrid. Manche, um sich dezidiert im Kurs weiterzubilden, für andere war es ein Versuch, den Weg ins Studium zu finden oder zu gestalten. Nicht zuletzt waren ganz praktische Stunden im Angebot – nicht nur das Aufführen von Musik gehört dazu, sondern auch das Anfertigen des Rohrblattes – jeder Oboist muß dies können und für sich selbst seinen eigenen Bedürfnissen entsprechend beherrschen.
Nach den Tageskursen vorgestern und gestern gab es am Sonnabendabend noch ein Abschlußkonzert, an dem vor allem die Dozenten im Mittelpunkt standen. Zunächst spielten Olivier Stankiewicz und Céline Moinet, begleitet von Prof. Andreas Hecker (Cembalo), Felix Amrhein (Fagott) und Andreas Ehelebe (Kontrabaß) als Basso continuo Jan Dismas Zelenkas Triosonate für 2 Oboen, Fagott und Basso continuo Nr. 1, F-Dur. Das erst in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckte Werk ist tatsächlich eine Originalkomposition (kein Duo für Flöte und Oboe oder Oboe und Violine), was sich vielleicht in den ausgewiesen kantablen langsamen Sätzen zeigt, die in dieser Besetzung besonders einnehmend gelangen. Mit den vitalen und virtuosen schnelleren Sätzen fanden sie zu einem ausgewogenen Verbund, der – Geschmack hatte Zelenka sehr wohl – die Musik in den Vordergrund stellte, nicht die »Schau«.
Mit Tonia Kos »Highwire« für Oboe solo und Elektroakustik gab es danach einen Soloauftritt des Gastes sowie eine Überraschung, denn im vorab bekanntgegebenen Programm war das Stück noch nicht enthalten gewesen. Die junge Komponistin verbindet darin elektronisch verfremdete Klänge, die während des Spielens entstehen (»Loops«) und aus den Schwingungen der Oboe angeregt werden. Dabei heben sich die Grenzen zwischen Originalklang und »Zumischung« auf – wie zum Beispiel entstand, mischte sich das Trompetentimbre? –, ebenso wie nicht immer nachvollziehbar ist, wie die durch Algorithmen verfremdeten Sequenzen entstehen – ganz offensichtlich sind es aber keine Bandeinspielungen von zuvor aufgenommenen Geräuschen.
Nach diesem höchst experimentellen Teil (die Komponistin war anwesend), ging es zurück ins Originalprogramm, zu Jean Françaix‘ L’Horloge de Flore. Das auf ein Gedicht Stephane Mallarmes zurückgehende Stück ist an sich schon ein Kuriosum – der »Blütenuhr« nach öffnen sich die Köpfe und Kelche verschiedener Blumen zu bestimmten Tagesstunden, allerdings unabhängig von der Jahreszeit oder Region. So trifft das winterliche Schneeglöckchen auf die sommerliche Cupidone (blaue Rasselblume) und die Wunderblume. Die florale Harlekinade war ein launiges Zwischenspiel, das Könnerschaft und Spaß sinnig verband.
Im allgemeinen verzweifeln Oboisten daran, daß von Wolfgang Amadé Mozart so wenige Werke für Oboe bekannt oder überliefert sind. Was also tun? Eine Möglichkeit liegt darin, das Œuvre um Arien zu erweitern und die Singstimme der Oboe zu überlassen, aber auch eine Violinsonate wie jene in B-Dur (KV 454) läßt sich adaptieren. Olivier Stankiewicz und Andreas Hecker bereicherten das Programm damit um den wohl klassischsten Teil. Wer mochte, konnte sich in die Geschichte und Entstehung der Sonate vertiefen – damals war die Rollenverteilung von Klavier und Violine (respektive Oboe) noch im Umbruch, das Andante zeigte beide auf Augenhöhe, ohne daß einem der Instrumente die Begleiterrolle eindeutig zuzuweisen gewesen wäre. In den Ecksätzen, gerade dem Allegretto wiederum fiel auf, wie er das Hüpfen des Geigenbogens beim Tonaufbau erfrischend auf seinem Instrument übernommen hatte.
Mit noch einer Überraschung schloß das Programm: Oboistin Hyon Song Dupuy hatte Johann Sebastian Bachs Orgel-Passacaglia (BWV 582) für Oboe (Hyon Song Dupuy), zwei Englisch-Hörner (Nao Hatsumi und Josselin Marti) sowie zwei Fagotte (Tobias Trenkle und Alfonso Silva Navarro) eingerichtet. Ein rein studentisches Projekt, das im Umfeld des Oboenfestes entstanden war. Die »Oboe« kann sehr weit und umfassend verstanden werden.
15. Mai 2022, Wolfram Quellmalz