Auftakt der Dresdner Musikfestspiele
Die Mauersegler sind zurück in der Stadt, und nun geht es auch mit der Musik wieder los: ein ganzer Monat Dresdner Musikfestspiele hat begonnen – das gab es seit drei Jahren so nicht mehr. Denn 2020 mußte alles abgesagt werden, was damals blieb, war ein gestreamter Marathon (Music Never Sleeps DMF), noch im vergangenen Jahr begannen die DMF virtuell, bevor einige (zum Teil großartige) Konzerte noch im Juni stattfinden konnten – mit Abstand und im Umfang gekürzt. Nun also gibt es wieder »volles Programm« und volle Säle. Denn mittlerweile dürfen wieder sämtliche Plätze verkauft werden, auf Masken kann (in der Regel) verzichtet werden. (Besucher sollten sich vorab trotzdem über die Hygieneregeln der einzelnen Gastgeber und Häuser informieren.)
Ein paar Änderungen gibt es im Festspielprogramm doch – nach der aktuellen Fassung zu schauen lohnt sich, denn manches ist zusätzlich eingefügt worden, wie ein zweiter Abend mit dem Brentano String Quartet und Jan Vogler heute. Der Eröffnungsabend hätte ursprünglich in der Messe eine konzertante Aufführung der »Zauberflöte« bieten sollen. Daraus wurde ein Konzert mit dem Dresdner Festspielorchester, das für diesen Zweck wieder in den Dresdner Kulturpalast zurückkehrte. Immerhin blieb die Ouverture zur »Zauberflöte« erhalten.
Dirigent Jean-Christophe Spinosi befeuerte Mozart gehörig, wofür er einige Musiker seines Ensemble Matheus in das FSO integriert hatte. Ein interessantes Experiment, schließlich war das Orchester – dem großen modernen Saal entsprechend – ordentlich gewachsen, auch der Stimmton lag über dem, was man von reinen Barockexperten oder Originalklangensembles kennt. Das Resultat gab Spinosi aber recht – vor allem Wolfgang Amadé Mozarts »Jupitersinfonie« überzeugte hinsichtlich der Balance von Streichern und Bläsern. Den Streichern gelang ein nobler, homogener Klang, der sich deutlich vom modernen Standard der Sinfonieorchester abhob und das Hören neu justierte, wie im zweiten Satz, den die Violinen mit Dämpfern begannen. Immer wieder tauchten markante Stimmen aus dem Tutti auf, von den Solisten oder hervorgehobenen Gruppen. Daß die Intonation dabei nicht immer einhundertprozentig gelang, läßt sich bei einem Projektorchester wie diesem leicht verschmerzen – immerhin war das Konzert nach der langen Pause auch ein wenig ein »Kaltstart«.

Sinnieren darf man trotzdem, wo bzw. in welcher Epoche das FSO am besten zu Hause ist. So zündend wie vor Jahren bei Schumann gelang der Auftritt zumindest zu Beginn noch nicht, der Applaus nach Mozarts Zauberflöten-Ouvertüre fiel ein wenig verhalten aus.
Interessanter und experimenteller wurde es anschließend bei Ludwig van Beethoven. Jan Lisiecki setzte sich für das fünfte Klavierkonzert erstmals an einen Hammerflügel (die moderne Kopie eines Graf-Flügels von 1819). Freilich war der ursprünglich in ganz anderen Sälen zu Hause, kleineren, vielleicht noch bis zur Größe des Palais im Großen Garten. Für jene, die hinter dem Klavierdeckel oder weiter weg saßen, klang das Instrument sehr leise und verhalten, an den Klang muß man sich ohnehin gewöhnen – die Brillanz eines modernen Steinway bietet er nicht.
Dafür aber Zauber, zumindest, wenn man ihn sensibel zu erwecken versteht – und das konnte Jan Lisiecki. Gerade die kurze Kadenz im ersten Satz und das Adagio un poco mosso gelangen ihm ausgezeichnet, in den Ecksätzen drangen immer wieder die Naturhörner mit weichem Timbre durch (in der Ouverture hatten noch die Posaunen mächtig angetrieben). Im Finale tauchte das Klavier mitunter etwas im Tutti unter, für manche Passagen bzw. eine bessere Artikulation wäre ein geringeres Tempo vielleicht doch besser gewesen.
Für Originalklangsucher und Liebhaber historischer Tasteninstrumente gab es noch eine ganz besondere Zugabe: Frédéric Chopins Nocturne c-Moll Opus posthum.
Der Jupiter steht in Mythologie und Astrologie für Vergnügen, Heiterkeit, ist der Bote des Frohsinns (nicht nur bei Gustav Holst). Dante schrieb ihm eine besondere Jovialität zu – mit Mozarts »Jupiter« war ein froher Startschuß der DMF erfolgt, ein Funke, der nun aufs Publikum übersprang. Mehr davon gibt es in den kommenden Wochen, auch wir werden regelmäßig berichten (https://neuemusikalischeblaetter.com/category/dresdner-musikfestspiele/).
12. Mai 2022, Wolfram Quellmalz
Das Dresdner Festspielorchester wird auch das Abschlußkonzert der Dresdner Musikfestspiele gestalten (10. Juni, Kulturpalast). Jan Lisiecki spielt am 18. Mai 19:30 Uhr ein Klavier-Rezital im Palais im Großen Garten. Mehr dazu unter: http://www.musikfestspiele.com