Dresdner Barockorchester feiert 30. Geburtstag nach
Vor einem Jahr hielt sich das zarte Pflänzchen Kultur nur äußert mühsam am Leben. Das Dresdner Barockorchester um Margret Baumgartl trat damals in der Loschwitzer Kirche auf, konnte sein 30. Jubiläum aber nur in kleiner Besetzung vor einem online-Publikum begehen. Wirklich festlich, würdig war dies nicht – konnte ja nicht sein (immerhin mehr als nichts).
Nun gab es gestern Anlaß und Gelegenheit für das Orchester, wieder vor großem Publikum aufzutreten. Wieder in der Loschwitzer Kirche, doch diesmal blieb kein Platz in den Bänken frei. Vorab fand sich sogar noch Möglichkeit, die Geschichte des Gotteshauses näher von der Historikerin Dr. Victoria Knebel zu erfahren. Es stand – zwanzig Jahre vor der Dresdner Frauenkirche von George Bähr errichtet – nach der Zerstörung nur noch in den Grundmauern, bis sich nach einer ideellen Initiative 1988 schließlich mit der politischen Zeitenwende bald die reale Möglichkeit für einen Wiederaufbau ergab – erneut vor der Frauenkirche …
Das nachgeholte Festkonzert wurde schließlich mehrfach eingeläutet, denn die Kirchenglocken wollten gar kein Ende finden, ihrer Freude Ausdruck zu geben.
Im Konzert stand dann – wie vor einem Jahr schon geplant – Johann Adolf Hasse im Mittelpunkt. Der Bergedorfer war ein begnadeter Komponist, der nicht nur mehrfach nach Italien reiste, sondern in Venedig einen zweiten Wohnsitz aufschlug. Im Konzert erklangen mehrere seiner italienisch gefärbten Werke sowie die von italienischen Komponisten.
Der im Titel »Il Sassone« gemeinte Hasse (»Der Sachse«, auch »Il divino Sassone« / »Der göttliche Sachse«, so wurde er in Italien genannt) war gleich dreimal vertreten, überraschte zunächst mit einer unerwartet kurzen Ouvertüre zur Oper »Euristeo«. Sie hatte gravitätischen Charme und hätte dem (ebenfalls italienerfahrenen) Händel sicher gefallen. Sein Concerto h-Moll an zentraler Stelle verriet viel davon, wie der Komponist mit Sängern und Singstimmen umging – individuell und darauf bedacht, deren Schönheit und Vorzüge zur Geltung zu bringen. Diesmal lag die Singstimme allerdings in der Traversflöte (Anne Freitag), die einen samtenen Klang verströmen ließ. Das Barockorchester nahm darauf insofern Rücksicht, daß es seine Lautstärke darauf ausrichtete, die leiseren Töne der Flöte nicht zu übertrumpfen.
Dieses aufeinander Hören war eine spürbare Kernqualität dieses Konzertes, denn auch die Blockflöte (Martin Stadler) mußte nicht über ihr Vermögen forcieren. Das Orchester wie der Duopartner (Martin Jelev / Oboe) nahmen hier zum musikalischen Gewinn Rücksicht.
Und so konnte sich nicht zuletzt die Sinfonia Nr. 4 von Alessandro Scarlatti glücklich entfalten, stellt sie doch im Concerto-grosso-Stil verschiedene Stimmen gegenüber. Nicht nur Blockflöte und Oboe, auch Violoncello (Barbara Reiter) und Cembalo (Michaela Hasselt) stimmten in den Reigen ein.
Mit einer Fuga e Grave g-Moll ging das Konzert nach Nicola Porporas Concerto D-Dur (noch einmal für die Traversflöte, Streicher und Basso continuo) zu Ende. Für den gesanglichen Nachklang der Zugabe sorgte ein anderer Dresdner Virtuose – Johann David Heinichen war einige Jahre vor Hasse Königlich-polnisch und kurfürstlich-sächsischer Kapellmeister gewesen. Sein Larghetto e-Moll (aus dem Concerto S 213) beschloß den sächsisch-italienischen Abend in Loschwitz.
9. Juni 2022, Wolfram Quellmalz