Im Aufwind

Laienorchester medicanti präsentiert sich nach der Pandemie in Bestform

Die Sommerpause bzw. -entspannung hinsichtlich der Pandemie hatte das Orchester medicanti in den vergangenen beiden Jahren nicht für ihre traditionellen Konzerte nutzen können – zu kurz war die Vorlaufzeit, um etwas »auf die Beine« zu stellen. Oder anders gesagt: die Musiker setzen sich selbst einen hohen Maßstab. Anders lassen sich wöchentliche Orchesterproben von drei Stunden wohl nicht erklären – der Begriff »Laien« ist eben relativ.

Am Sonntag war es jetzt wieder so weit – am späten Nachmittag luden medicanti und ihr Leiter Wolfgang Behrend in die Dresdner Kreuzkirche. Wie so oft hatten sie einen Solisten dabei, in diesem Fall eine Solistin – Friederike Herold (Violoncello). Die junge Musikerin, vielfach ausgezeichnet mittlerweile, hat schon oft mit Orchestern zusammengearbeitet, zuletzt mit der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie. Solch hochwertiger Nachwuchs ist ebenso einer der Qualitätsstandards von medicanti.

Für tänzerischen Schwung sorgten zu Beginn fünf der Slawischen Tänze von Antonín Dvořák, die Wolfgang Behrend zu einer Suite gebunden hatte. Zwischen Presto, Allegro und Allegretto gab es kaum eine Verschnaufpause – und schon einmal viele Bläsersoli, worunter die Flöte besonders hervortrat.

Danach gehörte ein großer Teil der Bühne Friederike Herold. Antonín Dvořáks Rondeau g-Moll ist ein vollwertiges Konzertstück und sollte nicht überhört werden, selbst wenn Dvořák noch ein einzigartiges, großes Cellokonzert geschrieben hat. Friederike Herold spürte dem romantischen Gestus mit Feingefühl nach, ließ den sanglichen Ton stetig wachsen, ohne ihn zu kräftig aufzutragen. So gelangen gerade leise Passagen besonders schön, wie auch die korrespondierenden Solopartner (Oboe, Fagott etc.) hervortreten konnten. Im Gegenüber der Solistin mit wechselweise hohen oder tiefen Streichern ergaben sich besondere Spannungsmomente.

Das Orchester durfte nach der Pause mit Peter Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5 e-Moll noch einmal über sich hinauswachsen. Spätestens hier wurde deutlich, was der eingangs erwähnte Qualitätsanspruch bedeutet, denn nicht nur die Homogenität der Streicher war erstaunlich, die ganze Sinfonie geriet luftig und vielgestaltig, dabei ist sie wegen ihrer großen Besetzung und Steigerungen durchaus nicht ungefährlich und offenbart sich leicht als sinfonisches Ungetüm.

Wolfgang Behrend jedoch bewahrte einen ruhigen Grundduktus, der das Gegenüber der Streichergruppen hervorhob und den tänzerischen Elementen nicht allein den Schwung, sondern auch die Grazilität eines Balletts verlieh. Kontraste durch Pizzicati oder Bläsersoli waren sorgsam herausgearbeitet, allein schon das Horn im zweiten Satz – mithin eines der »gefährlichsten« Instrumente, weil der Ton so leicht abrutscht – war hinreißend! Der dritte Satz wurde gerade durch die Holzbläser belebt, während sich im vierten Behrends sorgsames Dirigat bei den wechselnden Tempi zeigte: hier blieb der Fokus erhalten, eine durchgehende musikalische Linie, welche die Gipfelpunkte verband.

Immer wieder klingt Tschaikowskys Thema tragisch oder melancholisch, doch es hellt sich auch immer wieder auf. Mit der Flöte und danach den Blechbläsern fand es einen glücklichen Ausgang.

27. Juni 2022, Wolfram Quellmalz

Die nächsten Konzerttermine stehen bereits fest: Am 22. Januar und 11. Juni finden die nächsten Sinfoniekonzerte von medicanti in der Dresdner Kreuzkirche statt. http://www.medicanti.de/

Friederike Herold hat ihren nächsten Soloauftritt bereits im Kalender: Sie begleitet in diesem Juli das Schülerprojekt der Landstreicher. Weitere Informationen unter: http://www.saechsischer-musikrat.de/landstreicher-projekt-2022/

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