Selten so viel Kontrast

Engelbert Schön beim Dresdner Orgelsommer

Die Kontraste hätten beim Gastauftritt von Engelbert Schön (Rietberg / Kaunitz) im Rahmen des Orgelsommers in der Dresdner Kreuzkirche nicht größer sein können, wobei die Grenzlinien sowohl innerhalb der Stücke oder zwischen Original und Bearbeitung wie auch im Verlauf des Programms zu finden waren.

So hatte in Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge in D–Dur (BWV 874) aus dem Wohltemperierten Klavier, zweiter Teil, der Bearbeiter Max Reger deutliche Spuren hinterlassen. Nicht, weil er Thema oder Struktur verändert hatte, aber das Einrichten für die Orgel war an seiner sinfonischen und der hochromantischen Sichtweise (Reger hat selbst ein dezidiertes Orgel-Œuvre hinterlassen) ausgerichtet. Während also das Praeludium seinen »aufgerichteten Charakter« behielt, fiel besonders in der Fuge auf, daß hier (im Vergleich zur Originalfassung) weniger die Struktur eine dominierende Prägung hinterließ, sondern Stimmung und Farbe mehr Gewicht bekommen hatten. Dazu sorgte Engelbert Schön für größere dynamische Gegensätze und eine Steigerung – statt fugierter Kontraste trat somit der Ausdruck in den Vordergrund.

Felix Mendelssohns Variations sérieuses (für die Orgel eingerichtet von Reitze Smits) war es beinahe umgekehrt: feingliedriger im Ansatz kamen die Strukturen hier mehr zum Vorschein als bei Bach, gleichzeitig überhöhten die unterschiedlich belegten Register die Kontraste im Vergleich zur Klavierfassung.

Mit einem Stück des 1953 geborenen Ad Wammes wandte sich der Organist dann der zeitgenössischen Musik zu. Wer bei »Miroir« an Ravels »Miroirs« dachte, wurde nicht enttäuscht – auch Ad Wammes sorgte für ein impressionistisches Flimmern und Lichtreflexe über dem beständigen Baß bzw. einer ostinaten Figur. Überraschend ist, daß der Komponist sonst eher oder außerdem in anderen Genres zu Hause ist, so spielt er (zeitweise) in der Symphonic-Rock-Band Finch mit, schrieb unter anderem Musik für Folgen der »Sesamstraße« sowie Bühnenmusik für Theaterstücke. Daneben (oder hauptsächlich?) komponiert er für Klavier, Orgel, Akkordeon und Carillon (!). »Miroir« ist wohl sein bekanntestes Stück, das sich dank zahlreicher Orgelkonzerte bereits einer größeren Beliebtheit erfreut.

Julien Brèt, 1974 geboren, war der jüngste Komponist dieser Ausgabe des Orgelsommers. Er ist selbst Organist (derzeit an St-Ambroise de Paris), pflegt in den »Images de Paris« aber eher eine unterhaltsame Literatur. Die drei ausgewählten Bilder »Gare Saint Lazare«, »Jardin de Luxembourg« und »Tour Eiffel« hatten alle einen fröhlichen Jahrmarktscharakter und erinnerten daran, daß die Orgel ja nicht nur in der Kirche ein zu Hause hat. (Claus Fischer greift diesen »Faden« mindestens einmal im Jahr in seinem Orgelmagazin auf mdr kultur auf.)

Eine ganz ernsthafte, sogar liturgisch geprägte Komposition gab es mit Huit Invocations pour Orgue von Denis Bedard. Die acht Anrufungen der Orgel hatte der Komponist für die Einweihung der neuen Orgel in der Kathedrale Monaco (2011) geschrieben. Allerdings schienen sie mit ihrem Wechsel der solistischen Register und bei der fehlenden (oder im Orgelsommer einer protestantischen Kirche schwer herstellbaren) Zuordnung etwas beliebig. Man mußte sich schon gut auskennen in der katholischen Musik und Liturgie, um Motive zu entschlüsseln.

Im nächsten Konzert des Orgelsommers an der Dresdner Kreuzkirche (6. August, 15:00 Uhr), spielen Kreuzorganist Holger Gehring (Orgel) und sein Gast Sebastian Pachel (Panflöte) Werke bzw. Bearbeitungen von Johann Sebastian Bach / Antonio Vivaldi, Gustav Adolf Merkel und Béla Bartók.

Zuvor, am 3. August (20:00 Uhr), heißt es an der Kreuzkirche »Aus royalem Hause«. Im Rahmen der Internationalen Dresdner Orgelwochen spielt James O’Donnell (Westminster Abbey London) Werke von Charles Villiers Stanford, Johann Sebastian Bach, James Loy MacMillan, Olivier Messiaen, und William Turner Walton. Bereits um 19:19 Uhr ist der Organist im »Gespräch unter der Stehlampe« zu erleben.

http://www.kreuzkirche-dresden.de

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