The Cleveland Orchestra schloß das September-Festival im Dresdner Kulturpalast ab
So kompakt hat man die Dresdner Musikfestspiele außerhalb der Festspielzeit noch nicht erlebt. Statt der in den letzten Jahren gepflegten einzeln im Kalender stehenden Konzerte gab es in vier Tagen gleich drei Orchester zu erleben – aus Pittsburgh, Philadelphia und Cleveland reisten drei der ganz großen aus Amerika an. Am Sonntag schloß Franz Welser-Möst den Reigen ab – gerade hatte er sein zwanzigjähriges Jubiläum beim The Cleveland Orchestra gefeiert.
Für die Deutschlandreise hatte das Orchester verschiedene Programme im Gepäck, in Dresden stand allein einer darauf: Richard Strauss. Neben den Tondichtungen »Macbeth« und »Till Eulenspiegels lustige Streiche« war darunter eine Rosenkavalier-Suite zu finden.

Das gehört zu so einem Festival: vergleichen zu können, wie Orchester klingen, wie sie agieren. Spürbare Unterschiede gibt es nämlich durchaus auch jenseits des Ozeans. The Cleveland Orchestra ist das technisch vielleicht beste, brillanteste Orchester der drei Gastspielklangkörper gewesen, besticht mit sauberem Klang und exquisiten Bläsern. Hell und schlank klingen die Streicher – schon hier hätten es da und dort aber etwas mehr Emotionen sein dürfen – dunkler, weicher, vielleicht mehr Vibrato. In »Macbeth« zeichnete Franz Welser-Möst konturscharf die Dramaturgie nach, scheute nicht vor grellen, »kantigen« Klängen zurück. Geschmeidig kann The Cleveland auch, wenn Holzbläsersoli eingebunden werden oder die Streicher in weiten Bögen ausholen. In den Schlagwerken wiederum spitzte sich das Drama erneut zu.
Daß Till Eulenspiegel gar nicht so »lustig« ist, machte der Österreicher darauf unmißverständlich deutlich. Übermütig, mutwillig, mitunter derb – den »Schmäh« muß man eben verkraften. Superb gelang Franz Welser-Möst das Amalgam der verschmelzenden Soli.
Überzeichnung fand der Dirigent noch beim »Rosenkavalier«, den er aber nicht in der gewohnten Suite oder einer der Walzerfolgen präsentierte, sondern in einer eigenen Zusammenstellung. Spätestens jetzt fiel auf: da fehlte manche Stufe zwischen (enorm) laut und leise, auch stellte sich bei aller technischer Tadellosigkeit ein emotionaler Mangel ein. Wo blieben da die Gefühle, die Melancholie, die Erinnerung, der Abschied? Die extreme Darstellung war eindrucksvoll, teilweise karikaturhaft überspitzt, doch weder Rosenkavalier noch Marschallin kam der Zuhörer nahe.
Und was war der Grund, nicht auf eine der gewohnten Adaptionen zurückzugreifen, sondern der eigenen zu vertrauen? Vielleicht mögen es musikalische Vorlieben gewesen sein oder die Dauer – beides wäre durchaus möglich, nur führt die Frage eben, wenn sich das Stück vom »Rosenkavalier« zu entfernen scheint, ins Leere. Das emotionale Beben, das zwei Tage zuvor noch den Boden erschütterte, blieb am Sonntagabend aus, die Präzision von The Cleveland Orchestra wirkte letztlich etwas zu gekonnt und kühl. Die Möglichkeit, dem noch etwas nachzugeben, ließ das Orchester leider aus. Trotz langem Applauses und einer deutlich geforderten »Zugabe« spendierte Franz Welser-Möst gerade diese nicht. So blieb der Abend unter den Erwartungen.
5. September 2022, Wolfram Quellmalz