Schütz berührt

Mit Vox Luminis startet das Heinrich Schütz Musikfest auch in Dresden

Das Festjahr »Schütz22« verläuft tatsächlich festlich – allem »Bremsen« zum Trotz. Heinrich Schütz ist seit dem Auftakt vor einem Jahr nicht mehr nur gelegentlicher Gast in den Kirchen und Konzerten, sondern – wenn auch nicht ständig anwesend – immer wieder in den Programmen zu finden. Sein umfangreiches Œuvre bietet nebst der Überlieferungsgeschichte allein schon jede Menge Werke und Stoff zur Beschäftigung. Hinzu kommt, daß das Heinrich Schütz Musikfest (HSMF) dem Bemühen um Bereicherung, seien dies Musik anderer Komponisten oder zugehörige Themen, das Gelingen hinzuzufügen versteht. Insofern gab es zu Beginn der diesjährigen Ausgabe des HSMF am Sonntag in der Dreikönigskirche mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, von Förderern und Sponsoren tatsächlich etwas zu feiern. Die Worte von Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert zur Eröffnung und die Begrüßung von Intendantin Dr. Christina Siegfried kündeten daher nicht nur von der Hoffnung auf das Fest, sondern konnten sich auf das in den letzten Jahren aufgebaute Vertrauen gründen.

Nicht nur optisch, auch musikalisch leuchteten Vox Luminis, Photo: Heinrich Schütz Musikfest, © Uta Schirmer

Auch das gehört zu den anregenden Momenten des HSMF: trotz Vielfalt und Abwechslung kehren manche Werke innerhalb eines Jahrgangs wieder. Die Psalmen Davids, mit denen Schütz‘ lange Zeit in Dresden begann, zählen zu seinen wichtigsten Kompositionen. Wenn der Dresdner Kammerchor am Freitag aus ihnen singen wird und sich einige Titel wiederholen, wird die Spannung des Vergleichs überwiegen. Am Sonntag begann Vox Luminis, das belgische Vokal- und Instrumentalensemble (Residenzkünstler 2022), mit Auszügen aus den Psalmen. Und schon »Die mit Tränen säen« (SWV 42) vermochte zu Tränen zu rühren – die Sänger durchfluteten den Raum mit einer wunderbaren Polyphonie, die Heinrich Schütz in Venedig bei Giovanni Gabrieli kennengelernt hatte, eine umwerfende Wirkung, die sie in weiteren Auszügen wiederholten und steigerten. Daß diese Wirkung nicht nachließ, lag nicht zuletzt an der flexiblen Gestaltung und Besetzung – Sänger wie Instrumentalisten konnten ganz unterschiedliche Töne auf der Farb- und Helligkeitsscala darstellen. So wandte sich »Danket dem Herren, denn er ist freundlich« (SWV 45), welches dunkel begann, mit stetig bekräftigtem »denn seine Güte währe ewiglich« zum Licht.

Doch es gibt eben nicht nur Schütz und auch nicht nur Bach, zumindest nicht nur Johann Sebastian. Während sich das Musikleben sonst zumindest auf einige der Söhne besinnt, schauten Vox Luminis (Lionel Meunier als Leiter und Baß mittendrin) in die Zeit der Vorfahren und das Altbachische Archiv. Und es zeigte sich: Heinrich (1615 bis 1692), Johann Michael (1648 bis 1694) und Johann Christoph Bach (1642 bis 1703), Vater, Sohn und Neffe aus der Familie, bieten nicht weniger Bereicherungen. Als die Form der Kantate noch gar nicht erfunden war, sondern alles noch schlicht Geistliche Musik oder Geistliches Konzert hieß, war die Variantenvielfalt enorm groß. So begeisterten die Instrumentalisten immer wieder mit dem Gegenüber von Streichern und Bläsern, die Streicher den Consort abrundend, während die Bläser (Zinken und Posaunen) Botschaften unterstrichen oder im Wechsel mit den Soli zu hören waren. Überraschungen inclusive: denn in Heinrich Bachs »Ich danke dir, Gott«, das mit Monodie begann, verzweigten sich alsbald die Stimmen, wozu der Violone solistisch sang. Nach Johann Michael Bachs »Das Blut Christi«, das Strophe und Choral (bei gleichem Text) musikalisch raffiniert zusammenführte und einen kontemplativen Punkt der Vertiefung schuf, sorgte schließlich Johann Christoph Bachs »Herr, wende dich und sei mir gnädig« für einen funkelnden Schluß (übrigens auf dem Wort »schützen« – wie passend, wenn es um Heinrich Schütz geht). Der Choral, in dem sich eingängiges Kirchenlied und virtuoseste Instrumentalisten (vor allem Violinen: Tuomo Suni und Julia Krikkay) verbanden, mußte schließlich als Zugabe noch einmal wiederholt werden.

10. Oktober 2022, Wolfram Quellmalz

Das HSMF findet noch bis zum 15. Oktober statt. Termine und Informationen unter: http://www.schuetz-musikfest.de/

Nächste Veranstaltungen in Dresden: »Schütz & Brahms« (heute, 19:00 Uhr, Dreikönigskirche)

Das Eröffnungskonzert aus Weißenfels mit Vox Luminis kann in der Audiothek nachgehört werden:

https://www.mdr.de/kultur/videos-und-audios/audio-radio/konzert-weissenfels-heinrich-schuetz100.html

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