Zauberlehrlinge und -meister

Dresdner Philharmonie erzählt von Anfängen und Abschlüssen

Jedem Anfang soll bekanntlich ein Zauber innewohnen, aber auch ein geglückter Abschluß kommt nicht ohne aus – und überhaupt: steht der Zauber nicht am Beginn von allem?

Dejan Lazić, Photo: © Lin Gothoni

Lionel Bringuier setzte am Freitagabend im Dresdner Kulturpalast auf die Zauberwirkung effektvoller Umschwünge und Farbwechsel, auf fremdartige Klänge und geheimnisvolle Formeln. Paul Dukas‘ Balladenvertonung »Der Zauberlehrling« entfesselte erregende Geisterkräfte. Der Gedanke, die Abwesenheit des Meisters zu mißbrauchen, war wohl unterschwellig schon da – gleich zu Beginn verrieten es Oboe und Flöte – dann tobte das Orchester als »Besen« keck los. Lionel Bringuier, zu dessen Lieblingsstücken Paul Dukas‘ bekanntestes Werk wohl zählt, nahm den Erzählstrang sehr genau, ließ das Fagott parlieren, formte Episoden kammermusikalisch fein aus. Nicht nur ein – viele Geister schienen bis zu den Schlagwerken zu toben und manchmal (Glöckchen) etwas übermütig grell zu werden. Den Violen war das beschwichtigende Schlußwort überlassen – solch narrative Stücke machen nicht zuletzt deshalb Spaß, weil die meisten Goethes »Zauberlehrling« doch noch recht im Kopf haben und hier die passenden Bilder finden. Indes wäre es doch an der Zeit, den Komponisten einmal etwas genauer zu »durchleuchten«?

Vom Gelingen solches Ansinnens könnte beispielsweise Camille Saint-Saëns berichten – zu Lebzeiten noch ärgerte es ihn, wenn er auf den »Karneval der Tiere« reduziert wurde. Heute ist dies, dank Kammermusik, Orgelœuvre oder Cellokonzerten, anders – von den fünf Klavierkonzerten des Komponisten haben es immerhin zwei ins Repertoire geschafft. Damals waren sie fast solitär, denn im Land von Couperin und Rameau hatte die Gattung an Bedeutung eingebüßt. Lionel Bringuier und Dejan Lazić entführten das Publikum mit dem fünften Klavierkonzert in den Orient – Camille Saint-Saëns hatte Reiseeindrücke bis hin zur Gamelanmusik in sein Werk aufgenommen. Mit den beiden Gästen gestaltete die Dresdner Philharmonie das Allegro animato nicht nur mitreißend tänzerisch, sondern überraschte nach Dukas mit einem anderen Zauber, dem der Anmut! Nur »animierend« war dies keineswegs – Lionel Bringuier findet wohl keinen Gefallen an eindimensionalen Auslegungen. So bestachen die flinken Ecksätze mit Noblesse, während der zweite über weite Strecken von elektrisierender Leichtigkeit blieb – »Allegretto tranquillo« klingt schon nach einer Ballettfigur, die Philharmoniker führten es mit dem Gast im Duo (Flöten) und Trio auf.

Dejan Lazić ist nicht nur ein ausgezeichneter Pianist mit feiner Artikulation, er ist auch als Komponist bekanntgeworden, vor allem aber mit Bearbeitungen. Seine Fassung des Brahms’schen Violinkonzertes für Klavier und Orchester gehört auf jeden Fall zu den gelungensten Adaptionen seiner Art. So überraschte der Pianist und Komponist mit einer lebhaften Zugabe nicht, in der er istrische Tänze seiner Heimat in einer eigenen Bearbeitung präsentierte.

Den Bilderreigen nach Ballade und Reiseerzählung schloß Igor Strawinskys Suite zum Ballett »Petruschka« (Fassung von 1947). Da waren sie wieder: Fremdheit und Spuk. Erneut ziselierte Lionel Bringuier kammermusikalische Episoden zwischen Klarinette und Schlagwerk oder Kontrabaß, Fagott und Schlagwerk zu eindrücklichen Scherenschnittbildern. Und glich das Tremolo der Flöte nicht dem Trippeln der Ballerina?

Für einen war es die letzte Episode: Ralf-Carsten Brömsel wurde nach 41 Jahren beim Orchester von Intendantin Frauke Roth, Kollegen und Publikum in den Ruhestand verabschiedet. Für den Konzertmeister war immer die Philharmonie der Solist, so Frauke Roth. Ralf-Carsten Brömsel bedankte sich mit dem Wunsch: »Mein Wunsch für uns alle: Bewahren wir, was uns eint – die leidenschaftliche Liebe zur Musik und die Begeisterung für dieses tolle Orchester!«

29. Oktober 2022, Wolfram Quellmalz

Die nächsten Geschichten gibt es gleich am kommenden Wochenende: Ádám Fischer dirigiert am Sonnabend und Sonntag neben Joseph Haydns Sinfonie Nr. 97 die Musik aus Béla Bartóks Oper »Herzog Blaubarts Burg«. Mehr unter: http://www.dresdnerphilharmonie.de

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