Vocal Concert Dresden spielte Johann Adolf Hasse und Georg Friedrich Händel zum Ewigkeitssonntag in der Dresdner Kreuzkirche
Peter Kopp wendet sich mit seinem Vocal Concert Dresden seit vielen Jahren immer wieder nicht allein Musik oder sakraler Musik zu, er beleuchtet sie auch in ihren liturgischen Zusammenhängen und Zeremonien, wie der Herrnhuter Gemeinschaft, einem der letzten Projekte. Zum Ewigkeitssonntag präsentierte das Vocal Concert gemeinsam mit einem Dresdner Instrumental-Concert genannten Ensemble um Anne Schumann (Violine), Sebastian Knebel (Cembalo) und Frauenkirchenorganist Samuel Kummer (Orgel) einen weiteren Fund: es gibt keinen sicheren Nachweis, daß Johann Adolf Hasse Requiem B-Dur während dessen Amtszeit als Hofkapellmeister im 18. Jahrhundert aufgeführt wurde, dafür aber manche Indizien, daß dies nicht geschah. Somit handelte es sich am Sonntag mindestens um eine moderne Erst-, wenn nicht gar Uraufführung.

Vocal Concert Dresden und Instrumentalisten in der Dresdner Kreuzkirche, Leitung: Peter Kopp, Photo: Dresdner Kreuzkirche
Hasses Werk schließt nicht alle Teile eines Requiems ein – vielleicht, weil die Totenmesse damals nicht zur Aufführung kam? Den Eindruck, unvollendet zu sein, macht es aber keineswegs und geriet mit etwa vierzig Minuten nicht eben knapp. Viele Teile (Lobpreis, Kyrie, Sanctus etc.) sind positive Anrufungen, entsprechend darf sich das Werk in Schönheit gewanden. Auf den verhalten-dunklen Beginn (»Requiem aeternam« / »Ewige Ruhe«) folgt die Aufhellung (»et lux« / »es leuchte«) sogleich auch musikalisch. Fast immer wurden die Streicher von zwei Oboen unterstützt, bis sie im Agnus Dei von den Flöten ersetzt wurden – Hasse hatte dennoch wohl weniger einen kontrastierenden Wechsel beabsichtigt als ein Werk schwebender Schönheit geschrieben. Die Soli (Carine Tinney / Sopran, Anna-Maria Tietze / Mezzosopran und Marie Bieber / Alt) blieben meist im Chorverbund, schließlich sind Textzeilen bzw. deren Wechsel eng verknüpft. Nur für wenige, herausgesetzte Passagen traten die Solisten nach vorn oder änderte sich die Instrumentierung (Osanna: Hörner).
Dieses innige Miteinander, die Verbundenheit, hatte eine gleichermaßen sanfte wie unwiderstehliche Wirkung. Das Vocal Concert konnte wieder einmal mit einem wohltuend angenehmen, homogenen Klang überzeugen, dabei aber ebenso auf den Text fokussieren, jeden kleinen, auf ein einzelnes Wort bedachten Akzent anbringen. Und: Hasse hat ein Werk mit vielen Höhepunkten geschrieben, wie einem wunderbar pastoralen Sanctus! Es dem Vergessen (oder nicht-Kennen) zu entreißen, war nicht nur berechtigt, sondern hier auch angemessen präsentiert.
Wie anders gestaltete sich Georg Friedrich Händel Anthem for the Funeral of Queen Caroline (HWV 264), bei dem sich – äußerst effektvoll! – Teile der Trauer mit Abschnitten, welche die Verstorbene in der Erinnerung (erneut in den schönsten Farben) beschreiben, abwechseln. Ganz ohne Flöten nun, dafür mit etwas mehr »Orgelanteil« entfaltete sich ein weiteres erstaunliches Werk. Händel wußte Effekte nicht nur einzusetzen, er war ebenso maßvollen einen Umgang mit denselben gewohnt. Oder mit der Form, wie einer Chorfuge (»We people will tell« / »Das Volk wird erzählen«), die groß anzuheben scheint, aber nach knapper Ausführung in den nächsten Abschnitt überleitet. Überhaupt folgten viel Wechsel nicht zwischen verschiedenen, sondern innerhalb eines Verses.
Den Wechsel von Licht und Dunkelheit (Trauer) malten Peter Kopp und das Vocal Concert Dresden äußerst kontrastreich aus. Und: die Dunkelheit gehört dazu (wie die Stille zur Musik) – während bei Hasses Requiem die Bitte um Ruhe / Frieden mit Hoffnung verbunden ist, schließt Händels Werk mit einer inneren Einkehr der Trauer – beides in beeindruckender Weise!
Die nächsten Konzerte des Vocal Concert Dresden sind dem Advent und der Weihnachtszeit gewidmet. Zu Weihnachten gibt es wieder die bereits traditionellen Aufführungen der »Nine Lessons & Carols« in der Loschwitzer Kirche.
21. November 2022, Wolfram Quellmalz