Die Harmonie unserer Zeit

Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle

Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle mit Lukas Stepp (Violine) und Gregory Vajda (Dirigent) in der Semperoper, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Zu den Magneten des Aufführungsabends in der Semperoper darf man neben Wolfgang Amadé Mozart sicher den Solisten rechnen – Lukas Stepp (Konzertmeister zweite Violinen der Sächsischen Staatskapelle Dresden) war schon mehrfach in Kammerabenden und Sonderformaten (Gedenkkonzerte der Staatsoper zu verfemter Musik) aktiv, am Donnerstag nun als Solist in Karl Amadeus Hartmanns Concerto funebre für Violine und Streichorchester. Den Beginn markierte – wie nach der Pause ebenso – eine Sinfonie Wolfgang Amadé Mozarts. Auf die frühere Nr. 25 (g-Moll, KV 183) folgte später Nr. 29 (A-Dur, KV 201). Nicht nur in der Entstehungszeit (1773 und 1774) liegen beide nah beieinander und zeugen vom jugendlichen Genie des Komponisten, sie sind sich auch in der Anlage ähnlich. In Ausdruck und Charakter keineswegs – während sich KV 201 in annehmend hübscher Gefälligkeit qualitativ hochwertig bei den Serenaden »anlehnt«, birgt KV 183 bereits jene Dramatik in sich, wie sie Mozart in seinen Opern noch erreichen sollte.

Dirigent Gregory Vajda fand für beide Sinfonien einen schlanken, kammermusikalischen Zugang – viel Gelegenheit für die Solisten von hinten durch (Hörner) oder von innen aus (Holzbläser) dem Orchester zu funkeln. Den tieferen Eindruck hinterließ freilich das zuerst gespielte Werk, nicht nur wegen des entzückenden Harmoniemusik-Trios im Menuett, auch die gedämpften Streicher im Andante KV 183 klangen spukhafter als im KV 201, fast wie ein Geisterballett. Der Erfrischung oder Dramaturgie wegen hätte die Reihenfolge vielleicht umgekehrt sein sollen?

Mit Karl Amadeus Hartmann gab es eine erste Überraschung im Programm, überraschend (wie später Ligeti), weil man ihn so nicht erwartet hätte (oder so nicht kennt). Dafür war trotz Streichorchester diesmal weniger eine Schlankheit verantwortlich. Im Gegenteil hob Gregory Vajda die Impulshaftigkeit des Stückes heraus, das mehrfach, gerade in den schnellen Sätzen, davon lebt, daß etwas musikalisch »angestoßen« wird. Lukas Stepp offenbarte eine große lyrische Kantabilität, auch hier hatte der Komponist im Orchester für Spiegelungen gesorgt. Weniger Brüche und Kanten waren zu spüren, vielmehr prägten Lyrismen und Wärme den Charakter, obwohl dieser (eine Trauermusik) grundsätzlich immer einen mehr oder weniger deutlichen Schatten der Tragik in sich trug. Der Zugänglichkeit enorm zugute kam die Wechselwirkung zwischen Solist und Orchester, die das gegenseitige Vertrauen in Musik umsetzten. Herzlich fiel der Dank aus, vom Orchester mit Blumen für Lukas Stepp, der sich mit einem kleinen Extradank in seine Gruppe verabschiedete.

Auch in der zweiten Konzerthälfte erklang eine Komposition aus dem 20. Jahrhundert. Und doch hätten wohl viele, die das »Concert Românesc« noch nicht kannten, eher auf György Kurtág, Béla Bartók oder gar einen finnischen Komponisten getippt. Denn György Ligeti klingt doch ganz anders, man denke nur an »Le grand macabre« (vor drei Jahren auf der Bühne der Semperoper). Manchem, was der junge Komponist geschrieben hatte, stand der reifere Ligeti selbst kritisch gegenüber. Was nicht hindert, daß sein »Concert Românesc« harmonisch und mit manch nordischer Note blühen durfte. Auf Hartmanns Trauermusik folgte ein fröhliches Werk, in dem Gregory Vajda erneut genug »Luft« für Soli ließ. Neben Flöte (Sabine Kittel), Oboe (Bernd Schober) und Klarinette (Robert Oberaigner) durfte mit Tibor Gyenge ein weiterer Konzertmeister (Stellvertretender 1. Konzertmeister) des Orchesters hervortreten, diesmal in bester »ungarischer« Manier.

27. Januar 2023, Wolfram Quellmalz

Die nächsten Kammerabende der Sächsischen Staatskapelle kommen bald: am 9. Februar ist die Capell-Virtuosin Julia Fischer zu Gast, am 12. präsentieren sich die Schlagwerker der Kapelle (incl. Livepainting / Video). Ein Wiederhören mit György Ligeti zum 100. Geburtstag gibt es zum 8. Kammerabend im Juni.

http://www.staatskapelle-dresden.de

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