Junge Sinfonie Dresden führt Mendelssohn und Mozart auf
»Die Leute« machen sich einfach falsche Vorstellungen von Semesterferien. Nicht Bade- oder Skiurlaub steht auf dem Programm, sondern büffeln und arbeiten. Das kann man derzeit täglich in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden erleben, in deren Lesesaal nur mit etwas Glück ein freier Platz zu finden ist, gut 600 Meter weiter nördlich in der Lukaskirche war gestern weder etwas von Studentenmangel noch von Semestermüdigkeit zu spüren. Das mag zum nicht geringen Teil an Dirigent Richard Stier gelegen haben, der schon mehrfach bewiesen hat, daß er Kommilitonen und andere Mitstreiter sowie das Publikum begeistern kann. Zusammen mit Maximilian Otto, der das Programm morgen noch einmal dirigiert (Martin-Luther-Kirche) hat er die Junge Sinfonie Dresden ins Leben gerufen. Richard Stier verfügt offensichtlich über jenes Extra, das aus einem guten Dirigenten einen Initiator macht – man darf auf zukünftige Projekte also gespannt sein.

Junge Sinfonie Dresden mit Gerry Zimmermann, András Adamik, Jonathan Mayenschein, Anne Stadler und Richard Stier (von links) in der Lukaskirche. Photo: NMB
Herumgesprochen hat es sich offenbar bereits, denn die Lukaskirche war gut besucht. Das Programm sprach für sich, war sogar vielversprechend für einen Tag oder eine Zeit mit mehrfacher Bedeutung: als Abschluß einer Woche, als Moment in der Passionszeit oder als historisch belasteter Jahrestag fügten sich an diesem 24. Februar Felix Mendelssohns Musik (»Wie der Hirsch schreit«) mit Wolfgang Amadé Mozarts Requiem KV 626.
Dabei trägt Mendelssohns Vertonung des 42. Psalms bereits so viel Hoffnung und Zuversicht wie kaum ein Musikstück in sich. Richard Stier traf den romantischen Gestus sehr genau, formte aus dem Chor und den Solisten – vor allem Anne Stadler – eine sinnbildliche Darstellung. Mag sein, daß der Chor (noch) ein Projektchor mit kurzer Anlaufzeit war, im Grunde könnte man ihm sogar eine Unausgewogenheit dahingehend unterstellen, daß in den Altstimmen die männlichen Alti in der Überzahl waren (vier), jedoch zeigte sich gerade hier eine Stärke des Dirigenten: aus den Gegebenheiten nicht nur das Beste machen, sondern die Vorzüge erkennen und sie in einem charakteristischen Korpus zusammenfügen. Das betraf einerseits den Chor, der im Laufe des Abends zu immer geschlossenerer Form fand, und nicht weniger das Zusammenspiel der Instrumentalisten. Hier wurde ebenso eine Steigerung spürbar: während das Gegenüber von ersten und zweiten Violinen zunächst, bei Mendelssohn, noch etwas von den Bläsern überdeckt wurde, war die Ausgewogenheit bei Mozart schließlich hergestellt.
Die individuelle Herangehensweise bzw. das Wahrnehmen individueller Eigenschaften erlaubt es natürlich vor allem den Solisten, ihre Rollen auszufüllen. Anne Stadlers Sopran ist sehr jung, schlank, im positiven Sinne mädchenhaft, dennoch verfügt er über ausreichend Tragkraft. Auf übermäßiges Forcieren verzichtete die Solistin gottlob – ihr Timbre und ein sanftes Vibrato konnte dafür um so schöner den Text interpretieren. Ein Hauchen und stimmliches Beben braucht Maß, darf nicht übertrieben klingen, muß aber spürbar sein. Das gelang Anne Stadler ganz wunderbar!
Derartige Hinwendung gab es auch bei Mozart. Zum Solistenquartett gehörten außerdem Jonathan Mayenschein (Alt), András Adamik (Tenor) und Gerry Zimmermann (Baß), die teilweise bereits bei Mendelssohn solistisch unterstützt hatten. Toll war, wie Richard Stier die Blechbläser zu einem Chor zusammenfaßte, so daß diese wie eine fünfte Solistenstimme (oder eben ein zweiter Chor) wirkten, immer wieder gaben sie den gesungenen Worten einen Nachhall oder (wieder positiv gemeint) Klangschatten.
Daß hier mit viel Begeisterung gesungen und gespielt wurde, mit Verve interpretiert, versteht sich von selbst. Mendelssohns romantischer Nachklang tat Mozart durchaus gut (und paßte dahin), daß im Überschwang die Tempi zuweilen etwas rasch gerieten, kann man ja anmerken – fürs nächste Mal.
25. Februar 2023, Wolfram Quellmalz
Morgen (Sonntag, 26. Februar) noch einmal: 16:00 Uhr Martin-Luther-Kirche Dresden. Eintritt frei, Spenden erbeten.