Ensemble Sonus aeternus gestaltete die Kreuzvesper
Wenn ein Organismus sehr langlebig ist und immer wieder Ableger bildet, sichert er nicht nur das Überleben seiner Art, er fördert zudem einen Reichtum an Schönheit zutage. Das kann man bald wieder bei der berühmten Pillnitzer Kamelie beobachten, deren Knospen demnächst aufgehen werden. Ihr Alter ist nicht ganz sicher, mindestens 246 Jahre sollen es aber schon sein. Der Dresdner Kreuzchor ist mehr als dreimal so alt. Doch auch er bildet beständig blühende Ableger, nicht nur durch die Abiturienten, die von ihm ausgehend alljährlich einen neuen Lebensabschnitt beginnen, sondern nicht zuletzt mit den Ensembles, die er ebenso regelmäßig hervorbringt. Zum aktuellen Jahrgang gehören die Männerstimmen, welche als Ensemble Sonus aeternus um seinen Leiter Anton Matthes bereits eigene Programme bestreiten. Am Sonnabend gestalteten sie die Kreuzvesper vor dem Sonntag Invocavit.

Ensemble Sonus aeternus, Photo: © Sonus aeternus
Der erste Sonntag in der Fastenzeit stand im Zeichen des Gebets und der Hinwendung. In den Texten wandten sich die Werke zumeist Gott zu, wie im Ingressus, wofür Anton Matthes – ganz der lebendigen Chortradition folgend – Gottfried August Homilius’ »Domine, ad adjuvandum me« (Herr, eile doch, mich zu erretten, HoWV IV.I, Bearbeitung von Matthias Bretschneider) ausgewählt hatte. Es ist immer wieder schön, wenn sich der Kreuzchor und seine Mitglieder auf den ehemaligen Kreuzkantor und einen der wichtigsten Kirchenmusiker des 18. Jahrhunderts besinnen!
Gleichzeitig gelang es Sonus aeternus, eine andere Tradition aufzunehmen – jene der Männerchöre. Daß sie diese Rolle als sehr junges Ensemble auch jung klingend so authentisch bereits auszufüllen verstehen, konnte nur erfreuen. Nicht zuletzt in der Werkauswahl zeigte Sonus aeternus bereits eine sichere Hand: mit Eugène Thomas setzte sich Homilius‘ Anrufung in Text und Gestus praktisch fort und verstärkte die Botschaft, mit Jacobus Gallus‘ »Ecce, quomodo moritur justus« (Siehe, wie der Gerechte stirbt, Bearbeitung von Eusebius Mandyczewski) und Heinrich Schütz‘ »Also hat Gott die Welt geliebt« (Bearbeitung von SWV 380 durch Anton Matthes) banden sie außerdem Musik des 16. bzw. 17. Jahrhunderts gekonnt ein.
Neben dem a-cappella-Gesang erklang die große Jehmlich-Orgel. Über die Begleitung des Gemeindegesang (aus EG 347 »Ach bleib mit deiner Gnade«) präsentierte sich diesmal ein Gast, allerdings ein bekannter: auch Robin Gaede haben wir in der Kreuzkirche bereits erlebt. Mit Max Regers Melodia (Opus 59 Nr. 11) setzte er einen kontemplativen Ruhepunkt zwischen den vokalen Titeln.
Mit Joseph Haydn (»Du bist ́s, dem Ruhm und Ehre gebühret«, HOB. XXVc:8), Rudolf Mauersberger (»Herr, lehre doch mich«, RMWV 13) und Felix Mendelssohn (»Beati mortui« / »Selig sind die Toten«, MWV SD58, Opus 115) setzte Sonus aeternus sein Programm fort, daß kaum fokussierter und nicht weniger auf die Chortradition der eigenen Herkunft hätte bezogen sein können. Mit einem weiteren Schütz-Titel (»Die Himmel erzählen die Ehre Gottes«, SWV 386, Bearbeitung von Anton Matthes) setzten sie dies fort, um sogleich zu zeigen, daß ein Bezug auf »Herkunft« nicht leichtfertig mit Festgelegtheit und Unveränderlichkeit verwechselt werden darf, denn mit einem englischsprachigen »Prayer« (»Gebet«) nahm das Ensemble mit einer Komposition ihres Leiters (Text und Satz: Anton Matthes) schließlich an jener Tradition teil, die zum 21. Jahrhundert gehört und gerade geprägt wird. »May the Lord bless you« (»Möge der Herr dich segnen«), für 4-bis 6-stimmigen Männerchor angelegt, hat ein großes Potential, wiedergehört zu werden!
27. Februar 2023, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Sonnabend sind wieder alle Kruzianer in der Vesper zu erleben. Mit ihrem Kantor Martin Lehmann stehen dann Werke von Wilfried Krätzschmar (UA), Felix Mendelssohn, Max Reger und anderen auf dem Programm. Liturg: Holger Milkau