Höhenflüge und Wassertiefen

Riccardo Minasi und Jan Seifert sorgen beim Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle für erfrischende Unruhe

So wünscht man sich die Aufführungsabende: musikalische Entdeckungen verbunden mit ebensolchen Begegnungen. Die agierenden Gäste hießen diesmal Riccardo Minasi (Dirigent) und Jan Seifert (Klarinette), die Entdeckerstücke kamen von E. T. A. Hoffmann und Johann Melchior Molter. Und wie so oft gab es sogar noch mehr zu staunen, denn eine Klarinette in D, eine Schwester der Piccolo-Klarinette (Es) – wann hört man die schon?

Bei Johann Melchior Molter. Der Hofkapellmeister (Baden-Durlach) ist uns immerhin dem Namen nach bekannt, vor allem durch festliche oder weihnachtliche Concerti. In seinem Klarinettenkonzert Nr. 1, A-Dur verrät er eine venezianische Schule (also eine, die gut zu Dresden paßt). Und die einen weiteren Aufführungsabend-Reiz offenbarte. Denn die Brillanz des Solisten wirkte nicht herausgestellt und allein, sondern ergänzte sich im Wechselspiel mit der Kapelle, vor allem den venezianisch-vitalen Streichern, einem perlenden Cembalo und einem schlanken Baß.

Jan Seifert (Klarinette) und Riccardo Minasi (Dirigent) mit der Sächsischen Staatskapelle beim dritten Aufführungsabend, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Den Solopart mit seinen Koloraturen, Sprüngen und Kantilenen meisterte Jan Seifert nahezu nur in Höchstlagen. Ein paar Mitteltöne hatte Johann Melchior Molter noch vorgesehen, aber den runden Baß der Klarinette gebrauchte er nicht. In solchen Lagen scheint sich der Charakter des Instruments fast zu ändern – »wildert« sie da nicht mitten in den Flöten? Noch im Largo wußte Jan Seifert virtuos zu beleben, das Orchester bot dazu feinen Streicherklang à la Vivaldi.

Begonnen hatte der Abend mit E. T. A. Hoffmanns Ouvertüre zur Oper »Undine«. Riccardo Minasi bewies darin ein Händchen für ausgefeilte Dramaturgie und historische Aufführungspraxis. Binnen kurzem erhob sich nach festlichem Auftakt ein Wasserreich von Undine vor dem Schmuckvorhang, schien zu fluten – das macht Lust auf mehr vom Stück (oder wenigstens der Musik). Minasi liegen Opernstoffe offenbar ganz besonders. Zur Freude des Publikums hatte die Kapelle im Verlauf der Proben das Programm noch um die Overtüre zur »Zauberflöte« ergänzt, damit der Abend nicht zu kurz würde. Noch einmal durften die Bläser prächtig hervortreten (bereits »Undine« hatte 4 Hörner, 2 Trompeten und 3 Posaunen erfordert!).

In Wolfgang Amadé Mozarts »Linzer« Sinfonie (Nr. 36, C-Dur / KV 425) gibt es kaum weniger Solisten, und doch sind sie hier ganz anders einbezogen. Sinfonisch eben bzw. symbiotisch. Diese Dichte schien nicht gedrängt, vielmehr erwachten darin alle Geister zum Leben. Ebensowenig macht das historisch informierte Herangehen Riccardo Minasis aus der Staatskapelle ein Originalklangensemble – wie sich das Orchester auf seinen (normalen) Instrumenten verleiten ließ, sich im Allegro spirituoso einem Con fuoco zu nähern, wie sich im Andante Streicher, Bläser und Pauke »satt« trafen, das war schon phänomenal! Denn bei aller ausgefeilten Dramatik blieb der Klang luzide, tänzerisch – auf das Walzer-Andante folgte ein köstliches Menuett. Weniger die Kontraste, sondern wie sich ein Thema entwickelt oder weitergegeben wird, durch die Streicherstimmen wandert und schließlich beim Horn landet, faszinierte – diese Präzision war weit entfernt von Langeweile! Das Blechbläserquartett durfte am Ende noch einmal dem Presto einen wiewohl feurigen, aber federleichten »Rausch« verpassen.

10. Mai 2023, Wolfram Quellmalz

Im nächsten Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle am 14. Juli treffen Aaron Coplands »Appalachian-Spring«-Suite, Giovanni Bottesinis Kontrabaßkonzert Nr. 2 und Johannes Brahms’ Serenade Nr. 2 aufeinander (Dirigent: Roderick Cox, Kontrabaß: Andreas Ehelebe).

http://www.staatskapelle-dresden.de

CD-Tip: Johann Melchior Molter: Flötenkonzert G-Dur; Oboenkonzert g-Moll; Klarinettenkonzerte D-Dur & A-Dur; Cembalokonzert B-Dur; Cellokonzert C-Dur, Gottesauer Ensemble und Solisten, erschienen bei Musicaphon

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s