Samuel Kummer an der Silbermannorgel in der Dresdner Hofkirche
Es war ein bißchen, als kehre der Gastgeber heim, denn Samuel Kummer rief einst neben anderen Orgelreihen den Dresdner Orgelzyklus ins Leben. Dabei hat er derzeit andere Sorgen, denn nach 17 Jahren als Frauenkirchenorganist wurde er im vergangenen Jahr von der Stiftung Frauenkirche entlassen. Samuel Kummer würde sein Amt gerne behalten und hat die Unterstützung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in einer Petition für ihn aussprachen. Bisher konnte jedoch keine Einigung erzielt werden.

Samuel Kummer nach dem Konzert (links: Domorganist Sebastian Freitag), Photo: NMB
Wer gestern jedoch erwartete, ob der bedrückenden Umstände einen betroffenen oder »angeschlagenen« Organisten im Konzert zu erleben, wurde eines besseren belehrt. Denn Samuel Kummer schien gelöst und ganz auf seine Musik gerichtet – da ist jemand Organist mit Leib und Seele!
In der Katholischen Hofkirche Dresden (Kathedrale) sorgte er für einen gleichwohl fröhlichen Auftakt: Johann Sebastian Bachs Präludium Es-Dur (BWV 522 / 1) jubelte geradezu durch das Kirchenschiff. Die kollegiale Unterstützung war Samuel Kummer dabei auch ganz musikalisch sicher: Domorganist Sebastian Freitag half als Registrant sowie beim Umblättern.
Im fröhlichen Es-Dur (mitunter symbolisch für die Dreifaltigkeit stehend) ging es weiter: Johann Christian Kittel, ein Schüler Johann Sebastian Bachs (beide musizierten auch gemeinsam), kehrte in seinem Präludium weniger eine Brillanz als eine sonnige Stimmung hervor. Hinter den Pfeifen konnte man leise die Orgelmechanik hören, was gar nicht störend wirkte – für Silbermannfreunde gehört es ohnehin dazu.
Nach dem doppelten Auftakt wandelte sich das Programm, glich teils einem virtuosen Konzert für 3000 Flöten – Christian Heinrich Rinck, wiederum ein Schüler Johann Christian Kittels, hat die gern hervorgehobenen Flötenstimmen der Orgel besonders betont. Von seinem Opus 55 (aus der Practische Orgelschule), dem Orgel-Concert F-Dur, existieren entsprechend sogar Bearbeitungen für Soloflöte und Orgel. Doch der Organist kann den Charakter von Solistin und Orchester ganz allein erwecken. Samuel Kummer hob den Kontrast nicht nur hervor, sondern verdeutlichte in den Ecksätzen das filigrane Tonwerk, während das Adagio, einer Kontemplation gleich, von einer charmanten Färbung geprägt war.
Samuel Kummer ist unter anderem für sein großes Improvisationsvermögen bekannt, das er auch und gerade in Gottesdienst anzubringen weiß (und das inhaltlich einen Schwerpunkt in seiner Lehrtätigkeit darstellt). Insofern waren viele der Zuhörer wohl gerade auf die Improvisation in der Programmitte gespannt. Und obwohl diese zunächst mit einem Thema anzufangen schien, hatte sie doch keinen (strengen) Bezug, etwa zu einem Choral, sondern flocht sich sehr frei in die Musik des Abends ein, nahm dabei einen kleinen Ausflug zu Julius Reubke.
Mit Carl Philipp Emanuel Bachs Sonate g-Moll (Wq 70 Nr. 6) stand danach ein Werk im Konzertprogramm, das ziemlich genau aus der Zeit der Silbermann-Orgel in der Hofkirche stammt. Johann Sebastian Bachs berühmtester Sohn selbst hat es wohl auf einem anderen berühmten Instrument gespielt, der Amalien-Orgel in Berlin (Pfarrkirche Zur frohen Botschaft Karlshorst). Es hätte hier aber kaum besser passen können – auf die konzertante, prächtige Filigranität folgte nun ein schlankeres, feingliedriges Sonatenwerk, das stellvertretend für eine noch vor kurzem als »Vorklassik« abgetanen, höchst interessanten Musikepoche stehen darf und im beschließenden Allegro mit seiner freizügigen Verspieltheit verblüffte.
Wer durfte nun das letzte Wort, den letzten Ton haben? Noch einmal ein Schüler oder Enkelschüler? Nein – einer, der ein großartiger Organist gewesen ist (aber leider zu wenige seiner Werke oder Improvisationen notierte): Wolfgang Amadé Mozart. Was uns damit verloren oder nicht zugänglich ist, lassen Werke wie die Phantasie f-Moll (KV 608) nur erahnen.
11. Mai 2023, Wolfram Quellmalz