Streichtrios mit viel Nachhall

Schönberg und Bach in der Musikhochschule

Alle drei gehören sie zu den weltweit gefragtesten Solisten, sind ebenso im kammermusikalischen Verbund begehrt: Frank Peter Zimmermann (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Christian Poltéra (Violoncello). Jeder von ihnen war bereits mehrfach Gast beim Moritzburg Festival in den dort individuell gefügten Formationen, mit dem Auftritt im Rahmen der »Meisterwerke« schloß sich nun ein Kreis.

In dessen Mittelpunkt stand Johann Sebastian Bachs BWV 988, die »Goldberg Variationen«, die schon allein ein Konzert sein können. Am Donnerstagabend im Konzertsaal der Musikhochschule stellten die drei Musiker dem Arnold Schönbergs Trio Opus 45 voran und öffneten den Abend für ein großes Konzert – die Vorgabe sollte sich erfüllen.

Schönbergs Streichtrio – sein einziges – gehört zum radikalsten, was der Komponist geschrieben hat, vielleicht sogar zum radikalsten der klassischen Musik, wie Frank Peter Zimmermann in einer kurzen Einführung meinte. Wenn auch bereits zuvor begonnen, erhielt das Werk wesentliche Impulse durch ein prägendes Ereignis in Schönbergs Leben: einen Infarkt, den er nur knapp überlebte sowie die sich anschließende Rekonvaleszenz. Das Werk erzählt jedoch nicht allein von Schmerz und Leiden, sondern spiegelt die Vielfältigkeit von Todesangst, Lebenswillen und Überlebenskampf, von ersehnter Hoffnung und peinvoller Genesung wider. Das Radikale kann hier sicher auf allen Seiten verstanden werden – jener des Komponisten, der ausführenden Musiker und schließlich der mit Offenheit um Verständnis und Einfühlung bemühten Zuhörer.

Nur selten kommt man in den Genuß einer so klaren, zugleich zugänglichen wie die Brüche aufzeigenden Interpretation. Schönberg hat seinen »Krankenbericht« (Zimmermann) nicht in Sätze unterteilt, sondern in fünf ineinander übergehende Abschnitte (drei »Teile« und zwei »Episoden«). Frank Peter Zimmermann, Antoine Tamestit und Christian Poltéra schöpften daraus einen Widerstreit der Empfindungen und von prägenden Ereignissen, zeichneten ein Auf und Ab – ein geradliniges »vom Dunkel ins Licht« war dies keineswegs! Im Gegenteil wurden immer wieder Zwischenstufen erreicht, schimmerten Walzer hindurch, Motivzitate, auch ein tiefsinniger Humor, welcher die Hoffnung wohl beflügelte. Beeindruckend war es, zu erleben, wie die drei herausragenden Solisten, im Anfang deutlich in solistischen Rollen, nach und nach zu einer Einheit verschmolzen, als wären sie ein dreistimmiges Saiteninstrument.

Auch im zweiten Werk war diese Solistengemeinschaft deutlich spürbar. Die Bearbeitung (einer eigenen Fassung des Trios) erhielt die Stimmverteilung des Originals mit ausgeprägten Duoabschnitten bis hin zu ganzen Variationen (wie Nr. VII ohne Viola). Frank Peter Zimmermann hatte dem kleinen Übergewicht seiner Singstimme das Silber des Cembalos bewahrt, demgegenüber behielt der Violaton Antoine Tamestits einen grundsätzlich honiggoldenen Klang (schon bei Schönberg), der sich mal in Zimmermanns Gesang mischte, dann wieder eine eigene, mittlere Stimme hinzufügte. Nicht weniger individuell und prägend Christian Poltéra: oftmals stützte der Baß mit körperreicher Melodienfülle, dann reihte er sich den Oberstimmen ein – das hatte er übrigens schon bei Schönberg mit Flageoletts formidabel vorgeführt. Trotz Verschiebungen im Stimmenanteil blieb das Trio stets harmonisch balanciert und fand in der Wiederholung der »Aria« ein nachdrückliches Schlußwort.

30. März 2018, Wolfram Quellmalz

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s