Kantaten IV bis VI mit der Dresdner Philharmonie
Nach den Ferien und ungewöhnlich spät (eine Woche nach Epiphanias), fügte der Kreuzchor seiner Aufführung der Kantaten I bis III aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium im Advent die Kantaten IV bis VI an. Besucher der Vesper am Silvestertag hatten die vierte Kantate schon einmal unter der Leitung von Wolfgang Behrend und mit Begleitung durch die Sinfonietta Dresden gehört (bei uns rezensiert: https://neuemusikalischeblaetter.wordpress.com/2019/01/07/kreuzvesper-zum-epiphaniasfest/), nun gab es den abschließenden »zweiten Teil« noch einmal komplett unter dem Dirigat von Roderich Kreile und mit Musikern der Dresdner Philharmonie. Unter den Solisten waren Tobias Hunger (Evangelist / Tenor) und Kruzianer Maximilian de Haas (Echosopran) wie zu Silvester dabei, die anderen waren neu besetzt worden (alle Solisten anders als in den ersten Kantaten).
Ganz besonders gefiel Altistin Henriette Gödde. Die vielfach ausgezeichnete Sängerin, die an der Dresdner Musikhochschule eine wesentliche Prägung erfuhr, beeindruckt immer wieder mit schierer Klangschönheit, auch diesmal nahm ihr warmes, geschmeidiges Timbre ein, die Mühelosigkeit, mit der sie in den vielen Rezitativ-Passagen erzählte, Sanftheit, Verzagtheit, Trost Ausdruck zu geben vermochte, wie fein und klar sie in zwei aufeinanderfolgenden Textzeilen in der Betonung von »Heil« und »Heiland« zu unterscheiden wußte. Direkt schade, daß sie keine exponierte Alt-Arie hatte!
Im Vergleich war Henriette Gödde die klar stärkste des Quartetts und überstrahlte selbst Tobias Hunger. Der sonst so fabelhafte Tenor stand ihr zwar im Ausdruck kaum nach, hatte aber hier und da mit umschlagender Stimme zu tun – vielleicht ein Tribut an eine große Zahl von Evangelisten in der Weihnachtszeit? Mattias Weichert (Baß) hatte seinen Part souverän ausgefüllt, wenngleich er trotz wohlgesetzter Akzente und Pausen (»Herz, Seel und Mut, nimm alles hin«) manchmal etwas farb- und emotionslos blieb. Von »ausfüllen« konnte bei Miriam Alexandra (Sopran) allerdings nicht die Rede sein. Ihre Stimme, im Lied mit Sicherheit gut aufgehoben, war schlicht zu klein für den großen Raum und selbst im vorderen Schiff wenig zu hören – was mochte hinten oder auf den oberen Emporen noch angekommen sein? In der Textausdeutung wie dem (anklagenden) Rezitativ »Du Falscher, suche den Herrn zu fällen« blieb sie enttäuschend matt, zudem schien Miriam Alexandra zunehmend angestrengt und entwickelte in den hohen Lagen eine Tendenz zur Schärfe.
Nicht nur erfrischt und erholt, sondern homogen schmeichelnd konnte einen der Kreuzchor wahrlich verzücken. Das machte ganz nebenbei deutlich, daß das »Weihnachtsoratorium« eben nicht eigentlich dafür gedacht ist, an sechs Tagen aufgeführt zu werden: Dem innigen und um Beistand fürbittenden Schlußchoral der vierten Kantate (»Jesus richte mein Beginnen«) folgte so unmittelbar das zuversichtlich freudvolle »Ehre sei dir, Gott, gesungen« – ein wahrhaft großer dramaturgischer Sprung, den Roderich Kreile allerdings durch eine angemessene Pause abfederte. Wunderbar gelangen auch die aus Rezitativ (Baß, Alt) und Choral betsehenden Teile sowie die Kombination Sopran, Oboe und Echosopran – genaugenommen handelt es sich um ein doppeltes, bekräftigendes Echo.
Verzücken konnten kaum weniger die Musiker der Philharmonie, die nicht nur einfühlsam das Werk ausleuchteten, sondern gerade in den Eingangs- und Schlußstücken mit blitzsauberen Hörnern und Trompeten aufwarteten.
13. Januar 2019, Wolfram Quellmalz
In der nächsten Kreuzvesper mit der Meißner Kantorei 1961 erklingen Werke von Heinrich Schütz, Hugo Distler, Günter Raphael, Johannes Eccard, Ernst Pepping, Johannes Brahms und Kurt Hessenberg.