Verschiedene Arten von Humor …

2. Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle

Christoph Gedschold war schon einige Male bei Opernaufführungen der Sächsischen Staatskapelle zu Gast. Zu den herausragenden und nachdrücklichen Aufführungen kann man wohl Mieczysław Weinbergs »Die Passagierin« (Rezension bei uns in Heft 25, Seite 39) zählen – wie schade, daß das Werk nach wenigen Vorstellungen vor zwei Jahren (zunächst) wieder von der Bühne verschwand. Am Freitagabend leitete Christoph Gedschold nun erstmals einen Konzertabend.

Und der begann eindrucksvoll – mit »Speaking Drums« des Capell-Compositeurs Peter Eötvös. »Speaking« meint hier tatsächlich, daß gesprochen wird. Jedoch waren es keine »sinnvollen« Texte (auch wenn Gedichtzeilen darunter sind), sondern Nonsens-Texte, Silben, die der Solist, an diesem Abend Kapellmitglied Simon Etzold, sprechen, rufen, schreien durfte, frei oder mit Mikrophon, und einmal rief das ganze Orchester mit. Denn trotz »Drums« gab es eine große Besetzung mit Streichern, Bläsern und zwei zusätzlichen Orchesterschlagwerkern.

Konzerte für Schlagzeuger sind in den letzten Jahren etwas »in Mode« gekommen, und meist verbindet sie, daß sie neben der musikalischen eine sportliche Performance beinhalten, eine Show, die den agierenden Musiker fast zum Darsteller macht. Ähnlich wie bei Kalevi Ahos Welt-Musikstück »Sieidi« mußte auch Simon Etzold den Raum durchschreiten, durcheilen, zu Becken, Trommeln, Klanghölzern, Pauken, Klangstäben etc.

Es war in der Tat beeindruckend, wie er das bewältigte und welche Freude es ihm bereitete. Über den musikalischen Sinn kann man freilich streiten. Eötvös hat, eigenem Bekunden nach, versucht, den Rhythmus der Sprache auf die Soloinstrumentengruppe zu übertragen. Insofern kann man ernstnehmen, was er da tat. Doch wenn die Schlagzeugkollegen dem Solisten mit Kochtöpfen und Straßenschildern (»Baustelle«) beistehen, muß man das wohl als Spaß nehmen, als Nonsens oder Neo-Dada sehen (hören). Wie gut, daß niemand auf die Idee kommt, auf Schildkrötenpanzer zu schlagen oder Käfer zu zertreten, schließlich verursachte das ja auch Geräusche …

Wie sagte der große, dem Dada zugewandte Alfred Brendel einst in einem Gespräch mit Eötvös Landsmann Péter Esterházy? »Es kommt nur darauf an, ob man tolerieren will, daß mit Ernst Scherz getrieben wird.«

Joseph Haydns Humor war da ein ganz anderer. Gleichwohl wird er oft mißverstanden, »verzopft« gedacht oder betulich als »Papa Haydn« betitelt – das war er mitnichten! Haydns Humor war geistvoll, ironisch, durchaus frech, und immer der Musik zugewandt (ihr unterstellt). Insofern war seine Sinfonie C-Dur Hob. I:50 (Nr. 90) ein großer Kontrast zu Eötvös »Gedonner«. Hier nun zeigte sich vollends die Verbundenheit von Dirigent, Orchester und Musik. Maßvoll, gewitzt und durchpulst hatte das Allegro assai eine anregende Wirkung, die Synkopen des Andante waren ebenso beherzt vorgetragen. Und noch in der Wahl der Tempi bewies Christoph Gedschold Maß – und (ver)führte auch viele, die es wußten oder im Programmheft gelesen hatten, in die »Falle« der (zweifachen) Generalpause – nein, der Schluß kam erst noch – erfrischend!

Der Humor Richard Strauss‘ offenbart sich in seinen Opern oft mit Charme, als Wiener Schmäh. Daß man ihn auch in der Musik allein finden kann, also ohne Text oder Szene, bewies die Suite »Der Bürger als Edelmann« nach der Pause. Mit wundervollen Soli verziert (Sabine Kittel / Flöte, Norbert Anger / Violoncello, Matthias Wollong / Violine), führte die Staatskapelle eine Ballettsuite ohne Tanz auf, die jedoch nichts an sportlicher Eleganz oder Grazilität (III. Der Fechtmeister) verloren hatte und sich vor Jean-Baptiste Lully, welcher den Stoff bereits im 17. Jahrhundert verarbeitet hatte, zweimal ehrerbietig verneigte. Nach dem Menuett gab es den »Auftritt des Cleonte«, in dem Strauss neckisch mit der Form des Consorts spielte. Festlich steigerte sich die Suite bis in den letzten Teil (Diner), was ohne kleine Dissonanzen und musikalische Schelmereien nicht ging – irgendein Punkt des Diners war vielleicht zuviel? Wie auch immer – mit singendem Cello, flankiert von göttlichen Fagotten, fand das Fest ein rauschhaftes Ende.

16. März 2019, Wolfram Quellmalz

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