Johannespassion als Gemeinschaftsprojekt

Schulchor unterstützte Singakademie

Die Werke Johann Sebastian Bachs gehören zu unserem musikalischen Alltag, ohne dabei zum »Einerlei« herabzusinken. Das gilt nicht minder für die Passionen und Oratorien, welche in der Passions-, Fasten-, Advents- oder Weihnachtszeit erklingen. Verschiedene Traditionen, Auffassungen sowie unterschiedliche Möglichkeiten der Aufführungspraxis führen oft zu einer Reihe von Darbietungen, zwischen denen man wählen kann – es gibt nicht eine musikalische Wahrheit, sondern verschiedene Möglichkeiten, sich der Musik zu nähern, wahrhaftig, authentisch zu sein.

Ekkehard Klemm, Leiter der Singakademie Dresden, legte in seinem Einführungstext zur Aufführung der »Johannespassion« (am Sonnabend in der Lukaskirche, am Sonntag in der Marienkirche Dohna) einige solcher Wege dar und bekannte freimütig, sich als ehemaliger Kruzianer natürlich selbst einer »subjektiven Betroffenheit« nicht entziehen zu können. So galt es für ihn, einen Weg zu suchen, einen »Horizont abzuschreiten«, wie es Klemm in Anlehnung an den Philosophen Hans Blumenberg nannte. An dieser Suche beteiligt waren neben der Singakademie und dem Ensemble Charpentier mit Musikern der Elbland Philharmonie die Schülerinnen und Schüler des Kammerchores des Pestalozzi-Gymnasiums Heidenau (Leiter: Max Röber).

Ihr Weg führte mit alten Instrumenten zu einer Aufführung, welche den Werkzugang mit Schlankheit und gemäßigten Tempi eröffnete, für ausdrucksstarke Passagen stand der erweiterte Chor zur Verfügung. Das zeigte wieder einmal: es gibt zwischen barockem Extrem und romantischer Deutung ein weites Feld. Wahrhaftigkeit und Authentizität entstehen eben auch dann, wenn unsere Welt, die Erfahrungen der Rezeption, berücksichtigt werden. Berührend gelangen die Duette und Trios aus Gesangs- und Bläsersoli, wie der Kombination von Sopran (Friedrike Beykirch) und Traversflöte (Anna Laske) oder Alt (Annekatrin Laabs) und Oboen (Luise Haugk und Norbert Kaschel) – Kontinuität und Durchhörbarkeit waren hier vortrefflich mitzuerleben. Das Ensemble Charpentier erwies sich als wissender, behutsamer Begleiter und trat als Orchester nie in den Vordergrund, sondern stützte den Chor. Die Soli erwiesen sich als gedankenvolle Ergänzungen, nicht zu vergessen die wunderbaren Viola d’amore (Christian Seifert und Ulrike Paetzold) und Viola da gamba (Jürgen Steude).

Dem ergänzten Chor fehlte es manchmal an Homogenität, hier und da hätte man sich (mit Bezug auf den Text) doch mehr Kontrast gewünscht (»Kreuzige, kreuzige!«). So war der Spannungsbogen über das gesamte Werk nicht ununterbrochen gegeben.

Bei den Solisten konnten neben Annekatrin Laabs auch Falk Hofmann (Tenor) mit seinen hellen, offenen Vokalen und Jakob Kunath (Baß) melodisch überzeugen. Bassist Sinhu Kim füllte seine Rolle als Jesus lebhaft und mit klarer Diktion aus, während Jonas Finger dem Evangelisten immer wieder eine bereichernde Farbigkeit gestattete und damit für eine besondere Eindringlichkeit der Erzählung sorgte, seinen melismatischen Dehnungen fehlte es dagegen manchmal an Kraft. Friederike Beykirch wiederum stellte Jesus in ihrer Arie »Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten« als Lichtgestalt heraus. Dem Chor gelangen besonders schöne Passagen in den Chorälen, wo er strukturelle und inhaltliche Betonungen setzte (»Ich, ich und meine Sünden« oder »Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn«). Ein gestalterischer Höhepunkt war die mit dem Choral verwobene Baßarie »Mein teurer Heiland«. Mit dem Schlußchoral wandten sich die Sängerinnen und Sänger erneut dem Licht zu.

24. März 2019, Wolfram Quellmalz

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