Werke von Brett Dean im Kammerkonzert auf Schloß Albrechtsberg
Im Oktober hatte es eine »erste Anhörung« des aktuellen Residenzkomponisten Brett Dean bei der Dresdner Philharmonie gegeben. »Amphitheatre« (für Sinfonieorchester) ließ jedoch noch manche Fragen offen und konnte das Publikum nicht wirklich erobern. Im Kammerabend am Mittwoch auf Schloß Albrechtsberg änderte sich dies nachdrücklich.
»Ophelia« hieß es im Programmtitel, bezogen auf die literarische und mythische Figur. Als Vorlage dienten Texte William Shakespeares, von Johannes Brahms zunächst vertont und schließlich vom »Composer in Residence«. Brahms‘ »Fünf Ophelia-Lieder« sind im Original für Klavierbegleitung geschrieben und wurden 1997 von Aribert Reimann für Streichquartett bearbeitet. Während viele Bearbeiter unserer Tage durch Hinzufügen von Bläserstimmen fast selektiv betonen, was schnell zu einer Überhöhung führen kann, bietet das Streichquartett die Geschlossenheit und Homogenität eines Partners. In Reimanns Bearbeitung bleibt dieser gebundene Eindruck noch dann erhalten, wenn einzelne Streicher durch Flageolett oder Stimmführung doch einmal hervorgehoben werden. Der nur wenige Minuten dauernde Zyklus – viele Lieder haben keine Einleitung und brechen ohne Nachspiel beinahe ab – sind teilweise von betörender Schönheit. Immerhin drehen sich die Texte um einen tragischen Tod, ein Entfliehen! Diese Flüchtigkeit wird durch die Kürze der Lieder noch betont. Valda Wilson hat einen fast schweren Sopran, der es ihr erlaubt, expressive Farben zu verwenden und den poetischen Bildern herbe Schatten hinzuzufügen.
Diese Qualitäten nutzte sie bei Brett Deans Streichquartett »And once I played Ophelia« noch stärker. Verblüffend war zunächst die Spannweite des Werkes. Es ist das zweite Streichquartett des Komponisten und unterscheidet sich deutlich vom ersten (»Eclipse«) mit seinem suggestiven Charakter. Die Texte, welche Matthew Jocelyn aus Shakespeares »Hamlet« collagiert hat, läßt Dean in mitunter grellen Farben aufblitzen. Er setzt große Tonsprünge und Glottallaute ein und »nutzt« die Sopranistin als fünfte Stimme – der musikalische Charakter entspricht dann den Streichinstrumenten, die Verständlichkeit kommt dabei aber teilweise abhanden. (Was Dean bewußt ist – er nennt es nicht Lieder, sondern Streichquartett mit Sopran). Die bis an Raserei führenden Liebesschwüre und -zweifel, sie enden mit zwei ruhigen, poetischen Bildern, »There is a willow …« (Dort neigt ein Weidenbaum …) und »Good night ladies« (Gute Nacht, Damen). Für ihren ausdrucksstarken Vortrag bekamen Valda Wilson und das Quartett aus Eunyoung Lee und Deborah Jungnickel (Violinen), Joanna Szumiel (Viola) und Daniel Thiele (Violoncello) viel Applaus.
Zuvor hatten die Musiker vor allem den Jubilar Beethoven gefeiert. Mit einem launigen Duo (Bearbeitung) für Violine und Violoncello WoO 27 (Lee / Thiele) hatte der Abend begonnen und fand im von Beethoven selbst bearbeiteten Quintett Es-Dur Opus 4 (mit Hanno Felthaus / Viola) seine Fortsetzung. Für die Überleitung nach der Pause hatte Brett Dean gesorgt, dessen Trio für zwei Violen und Violoncello »some birthday …« eine Verneigung vor Beethoven sein sollte und gleichzeitig den Humor bewies, welcher in der Musik stecken kann.
9. Januar 2020, Wolfram Quellmalz