Auftakt zum Beethoven-Jahr in der Dresdner Frauenkirche
Für ihn, meinte Daniel Hope, künstlerischer Leiter der Frauenkirche und einer der Solisten, vorab, sei eigentlich immer ein Beethoven-Jahr. Das hatte auch Christian Thielemann kürzlich in einem Interview gesagt, und Tante Hiltrud sieht das sicher ähnlich (sie mag die »Pastorale« und liebt die siebente – ich habe sie gefagt). Insofern dürfte 2020 also keine Langeweile aufkommen, denn Beethoven spielen, ihn aufführen, kann eigentlich gar nicht eine ewige Wiederholung des Immergleichen bedeuten. Vielmehr stellt man gegenüber, sieht neu – an Beethoven kann man sich richtig »abarbeiten«, und die Wege zu ihm sind praktisch unerschöpflich.
Daniel Hope hatte zum Jahresbeginn am Freitag das Zürcher Kammerorchester eingeladen, dessen Leiter er ebenfalls ist, und drei ganz unterschiedliche Werke aufs Programm gesetzt: während die »Große Fuge« Opus 133 in einer Bearbeitung für Streichorchester den Abend eröffnete, beschloß ihn das Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester, das sogenannte »Tripelkonzert«. Die Solisten, Daniel Hope, Cello-Legende Lynn Harrell und der blutjunge Pianist Maxim Lando, spielten dazwischen das »Gassenhauertrio« – die Stücke waren nicht nur unterschiedlichen Gattungen zugeordnet, sondern auch in ganz unterschiedlichen Jahren und Lebensabschnitten des Komponisten entstanden.
Bearbeitungen von Kammer- oder Orgelmusik können gewaltig werden – zäh, breit, massig. Im Fall der »Großen Fuge« konnte es der Dirigent und Komponist Felix Weingartner nicht dabei bewenden lassen, die vier Stimmen einfach zu vervielfachen. Schließlich gehören zu einem Streichorchester Kontrabässe, deren Einbeziehung jedoch die Ausgewogenheit hoher, mittlerer und tiefer Stimmen nicht zu sehr verändern darf. Daß es in diesem Fall gelungen ist, bewies die geradezu luzide Interpretation des Zürcher Kammerorchesters. Die spannende Beethoven-Betrachtung verlor sich nicht im schlichten Fugieren eines Themas, Beethoven hat dem Satz eine eigenständige Dramaturgie mitgegeben, die mit einer Ouvertüre beginnend einen dramatischen Verlauf eröffnet, auflockernde Andantino-Einschübe inbegriffen.
Dem (chronologischen) Schlußpunkt folgte eines der frühen Beethovenwerke, sein von ihm selbst zum Klaviertrio umgearbeiteten Opus 11. Die Solisten sind beileibe kein festes Ensemble und bezogen ihre Spannung gerade aus dem Suchen nacheinander. Hier vereinigten sich drei Generationen: dem gelassenen Lynn Harrell, der mit feinen Tupfern Nuancen zu unterscheiden wußte, saß ein immer sprungbereiter Maxim Lando im Rücken, der mit höchster Aufmerksamkeit verfolgte, was seine beiden Kollegen spielten. Trotzdem überflügelten er und Daniel Hope etwas ungleichgewichtig und übermütig den Cellisten. Maxim Lando bewies jedoch Spielwitz, als er im Allegretto zum Beispiel mit kleinen Verzögerungen die Streicher zu necken schien.
Die Ausgewogenheit der Solisten war im »Tripelkonzert« dann besser hergestellt, wiewohl ja eigentlich Beethoven das Gleichgewicht aus den Fugen gehoben hat. »Cello voran« hieß es statt dessen, doch war die Interaktion im Trio wie mit dem Orchester (nun mit Bläsern) ausgefeilt. Schon mit dem Beginn kam eine »durchs Dunkel-ins-Licht«-Atmosphäre auf, die sich bis zum Finale hielt und steigerte – ein Dirigat von Daniel Hope oder dem Konzertmeister Willi Zimmermann schien da eigentlich nicht nötig. Erfrischend war der wechselnde Kontrast von Solo- und Tutti-Passagen, die weit entfernt waren von einer Concerto-grosso-Reminiszenz. Wesentlichen Anteil hatten die Bläser (unter anderem mit Stéphane Réty / Flöte, der an der Dresdner Musikhochschule lehrt), welche vor allem Schattierung hervorhoben und mancher Kontur eine Form gaben. Über weite Teile ist der zweite Satz kammermusikalisch gehalten, hier wuchs das Trio mit dem Klarinettisten Robert Pickup zum Quartett. Im Finale dann durften die Blechbläser beweisen, daß sie als »Leuchtkraftverstärker« die Homogenität des Orchesters keineswegs aufheben.
11. Januar 2020, Wolfram Quellmalz