Glückliche Fusion zweier Chöre und eines Orchesters in Dresdner Lukaskirche
Für den kammerchor cantamus dresden war es sogar ein Jubiläumskonzert: 1995, vor einem Vierteljahrhundert mittlerweile, wurde er von Martin Lehmann gegründet. Seit dem vergangenen Jahr leitet Robert Schad cantamus und konnte unter anderem beim Dresdner Chortag im Herbst zwei erste Preise (für die beste Interpretation eines fremd- und eines deutschsprachigen Werkes) gewinnen (NMB berichteten). Das Jubiläum wollte (sollte) am Sonntag mit einem besonderen Konzert in der Lukaskirche gefeiert werden.
Auf dem Programm stand eines der ganz großen Werke: Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe. Diese schafft man weder als Kammerchor allein noch ohne Instrumentalisten, und so fanden sich mit dem Thüringischen Akademischen Singkreis (TASK) und dem ensemble ponticello Partner für die Aufführungen, wobei TASK-Leiter Jörg Genslein, in Dresden spätestens seit seiner Zeit an der Hochschule bzw. bei Hans-Christoph Rademann und dessen Dresdner Kammerchor, bekannt, die Leitung übernahm. Am Vortag des Konzertes in der Lukaskirche war die h-Moll-Messe bereits in der Dippoldiswalder Stadtkirche erklungen.
Bachs BWV 232 bot dem Chor zu dessen Jubiläum viel Mitwirkungsmöglichkeit, denn anders als in Kantaten, Passionen oder Oratorien sonst gibt es für Solisten hier nur vergleichsweise wenig Arien oder Duette. Gleichwohl waren die vier Stimmen mit Isabel Schicketanz (Sopran), Annekatrin Laabs (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Tobias Berndt (Baß) bestens besetzt. Das Quartett kennt sich nicht nur aus manchen gemeinsamen Auftritten, ist also durch die eine oder andere Konstellation bereits aufeinander abgestimmt, alle vier sind auch hervorragende Vermittler des Textes. Tobias Hunger beispielsweise kann, wie zu hören war, als Tenor mit lyrischer Färbung ebenso überzeugen wie als Evangelist – eine Rolle, die er sonst oft einnimmt, die es in der h-Moll-Messe aber gar nicht gibt.
Dafür hält das Werk viele Chöre bereit. Dabei erwiesen sich die zusammengewachsenen cantamus und TASK als homogenes Gefüge – beide fanden bei Bach ein Zentrum und waren wohl Brüder und Schwestern im Geiste – hörbar. Jörg Genslein sorgte für eine Belebung durch Kontraste, so folgte auf den eindringlichen »Kyrie!«-Ruf (deutlich eine Anrufung), und Annekatrin Laabs warmen Alt eine sanfte Wiederholung des Kyrie-Textes durch den Chor – das Werk beginnt nicht mit einer Aufforderung oder einem Hilfeschrei, sondern entspinnt eine Erzählung von hier. Und die reicht, auch das wurde deutlich, von der Weihnachts- bis über die Passionsgeschichte.
So weit das Geschehen reicht, so gut war es »erzählt«, denn der großen Homogenität des Chores fügte Jörg Genslein noch geschliffene Übergänge hinzu – auch zwischen Solo- und Chorpassagen kam es zu keinem Stocken. Erst im dritten Teil, für den der Dirigent den Chor umstellte, um die Doppelchörigkeit zu nutzen, zeigten sich kleine Brüche: während die Frauenstimmen hier tragend (in der Mitte stehend) vernehmbar waren, gerieten die außen postierten Männerstimmen vor allem im abschließenden Dona nobis pacem zu nahe an einen sprechenden Duktus – in das Singen mischte sich ein Zischen wie von Flüstern (was zumindest teilweise jedoch mit der Raumakustik zusammenhängen kann).
Die Unterstützung durch ensemble ponticello um Konzertmeisterin Adela Bratu war bestens, nicht nur hinsichtlich der freudigen Ausgestaltung des Jubels im pastoralen / Weihnachtsteil, sondern bis hin zu den fein tragenden Basso-continuo-Passagen.
27. Januar 2020, Wolfram Quellmalz
Weitere Informationen unter: