Sächsisches Vocalensemble feiert Adventskonzert virtuell
Die virtuellen Formate schießen zwar nicht gerade wie Pilze aus dem Boden, doch fast jeder Veranstalter, Musiker, Kunstschaffende sucht nach einer Möglichkeit des Austausches. Die Frage ist, wie man das Publikum am besten erreicht – zwischen einem »richtigen« Konzert ohne Publikum, das virtuell übertragen wird, über kleinere Programme bis zu kurzen Grüßen gibt es fast alles. Als wichtig und wirkungsvoll erweisen sich dabei jene Angebote, die dem Musikfreund am Rechner oder Bildschirm etwas geben, was Identifikation und emotionale Einordnung erlaubt. Einerseits, indem die Künstler, die wir derzeit entbehren, zu sehen sind, darüber hinaus in den Programmen und nicht zuletzt den Orten.
Mit dem Sächsischen Vocalensemble sind in Dresden Orte wie die Dreikönigs- oder Annenkirche verbunden. Am vergangenen Sonntag hätte in letzterer das Adventskonzert stattfinden sollen. Es fand auch statt, nur – wie nicht anders möglich – ohne Zuhörer. Wer wollte, konnte es auf YouTube verfolgen, wo das Video der Aufnahme auch weiterhin zu finden.
Weit verteilt saßen die Musiker der Batzdorfer Hofkapelle im Altarraum der Annenkirche, die Solisten (Anne Stadler und Dorothea Wagner / Sopran, Stefan Kunath / Alt, Alexander Bischoff / Tenor und Felix Schwandtke / Baß) sowie weitere Sänger des Sächsischen Vocalensembles standen mit großem Abstand zu ihnen und zueinander. Akustisch läßt sich Abstand mit Mikrophonen ausgleichen, für Leiter Matthias Jung bedeutete es freilich statt des üblichen Dirigates »nach vorn« einen Rundumschlag nach allen Seiten – um so wichtiger, daß er sich dabei auf vertraute Partner verlassen konnte.
Vertraut ist gerade jenen Musikfreunden, die das Sächsische Vocalensemble regelmäßig besuchen, der Ort. Die Kamera verharrte nicht statisch auf den Sängern oder dem Orchester, sondern ging auch einmal in den Raum der adventlich geschmückten Kirche, kam Matthias Jung oder den Solisten nahe – näher, als jeder andere es gerade dürfte – insgesamt bewahrte der Bildlauf aber Ruhe. So verband sich der festliche Glanz der Musik mit jenem des Kircheninneren.
Auch technisch gelang die Aufnahme makellos. Einzelstimmen wurden nicht verdeckt, trotz reduzierter Zahl der Beteiligten wirkte der Klang niemals dünn oder klein, im Gegenteil. Man hörte Alexander Bischoff, dessen Tenor in Christian Liebes »Das neugebor’ne Kindelein« einen milden Goldschimmer bekam wie die Sonne über dem Altar, die Solisten und das Sächsisches Vocalensemble können Konturen hervorheben und dabei geschlossenes Ensemble bleiben. Markant war Anne Stadlers beflügelter, leichter Sopran, der zeitweise die Himmelshöhen zu berühren schien, oder Felix Schwandtkes Baß, der jederzeit an Kraft gewinnen und betonen konnte, ohne dabei rauher zu werden oder an Melodiösität zu verlieren.
Für die Batzdorfer Hofkapelle, die schon an mancher Ausgrabung beteiligt war, ist die Musik aus der Sammlung der Fürsten- und Landesschule St. Augustin im mittelsächsischen Grimma von Johann Schelle, Philipp Heinrich Erlebach, Johann Rosenmüller und anderen ein Kernrepertoire. So leuchtete sie die Sinfonia bei Christian Liebe erst effektvoll, also festlich, mit Blechbläsern und Pauken aus, um sich sogleich zu beruhigen – des in der Krippe liegenden Kindleins wegen. Bei Gottfried Vogels »Alleluja, freuet euch, ihr Christen, alle« schien die Jubelstimmung greifbar.
Natürlich ist man mit Bildschirm und Lautsprecher nie so nah dran wie vor Ort, doch dem Sächsischen Vocalensemble gelang hier eine Annäherung, die in der gewählten Länge von knapp einer Stunde auch an Spannung nicht verlor. Gleichzeitig führte das Programm die Musik aus der Epoche zwischen Schütz und Bach vor Ohren – entdeckenswert!
7. Dezember 2020, Wolfram Quellmalz
Weitere Informationen und den Pfad zu Programmhefttext und Video finden Sie unter: http://www.saechsisches-vocalensemble.de
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