Warten auf das Collegium 1704

Prager Ensemble bleibt auf verschiedenen Kanälen präsent

Schon fünf von acht Konzerten der Musikbrücke Prag – Dresden mußten in dieser Spielzeit ausfallen – ob davon etwas nachgeholt werden kann, wie der Besuch von Karina Gauvin (war für den 10. November 2020 geplant), ist offen. Auch am Karfreitag konnten die Musiker um Václav Luks nicht anreisen. So bleibt neben Erinnerungen die Hoffnung auf die Zukunft – Ende April soll die Spielzeit mit Musik Johann Sebastian Bachs abschließen.

Gerade im Moment ist der Kulturverlust wieder besonders schmerzlich spürbar, denn es war schon das zweite Ostern ohne die Passionen Johann Sebastian Bachs, Heinrich Schütz‘ oder Louis Spohrs. In der Annenkirche hätte die Brockes-Passion von Georg Philipp Telemann auf dem Programm gestanden. Der Hamburger Ratsherr Barthold Heinrich Brockes, ein Mann der Aufklärung, verfaßte als eines seiner frühen Werke den Text, der im Laufe der Zeit von etwa einem Dutzend Komponisten vertont wurde, darunter so berühmte Namen wie Johann Friedrich Fasch, Johann Mattheson, Reinhard Keiser und Georg Friedrich Händel. Und eben Telemann. Darauf, dessen Musik aufgeführt zu erleben, werden wir wohl (mindestens) ein Jahr warten müssen, doch auf das Collegium 1704 müssen wir nicht ganz verzichten. Verschiedene Wege führen zum Glück:

Erstes Konzertvideo auf Universo 1704: Bachs Magnificat aus der Dresdner Annenkirche (Bild: NMB)

So hat das Prager Barockensemble vor etwa einem Monat seine Internetpräsenz aufgefrischt. Dort findet man nun neben Konzertterminen und Nachrichten das Universo 1704, eine Plattform, die Konzertvideos bereithält. Dafür muß man sich nur beim Videoportal Vimeo anmelden (kostenfrei) und eine virtuelle Eintrittskarte lösen. Zur Wahl stehen die Varianten »mieten« und »kaufen«. Beim »Mieten« kann man ein Video drei Tage lang beliebig oft anschauen, mit dem »Kauf« erwirbt man es dauerhaft. Mittlerweile sind schon fünf Konzertfilme verfügbar, die in Dresden und Prag aufgenommen wurden. Die Premiere war eine Aufzeichnung aus der Dresdner Annenkirche, ein strahlendes Magnificat von Johann Sebastian Bach, das manche niedergedrückte Seele vielleicht aufzurichten hilft. Seither sind vier weitere Beiträge mit Musik von Jan Dismas Zelenka und Claudio Monteverdi hinzugekommen. Die beiden Collegia (Instrumentalisten und Chor) entführen ihre Zuhörer ins Prager Theater X10, aufs Barockschloß Nebílovy sowie aufs (Achtung!) Lustschloß Troja. Von dort, nördlich von Prag, erklingt Zelenkas Missa corporis domini, und auch das nächste Konzertvideo (19. April, Baldassare Galuppis Dixit Dominus) wurde hier aufgenommen.

Man kann das Collegium aber auch »nur« hören. Die Ende letzten Jahres erschienene CD mit Jean Philippe Rameaus Oper »Les Boréades« (Gesamteinspielung auf Schloß Versailles) ist mittlerweile mit wichtigen Preisen ausgezeichnet worden: einer Trophées 2020 in der Kategorie beste Opernaufzeichnung des Jahres sowie kurz darauf ein Gramophone Editors‘ Choice & Critics‘ Choice 2020.

Hier wie da sind Václav Luks und auch viele der Solisten, die ihn regelmäßig in den Konzerten begleiten, zu erleben. Bleibt nur zu hoffen, daß echte Besucher die Musiker bald wieder richtig hören können. Pläne dafür gibt es, so wurde kürzlich gemeldet, daß das Collegium 1704 das Eröffnungskonzert des Musikfestes »Prager Frühling« am 12. Mai spielen soll. Statt Bach, Zelenka oder Monteverdi stehen dann die Noten zu Bedrich Smetanas »Má vlast« (Mein Vaterland) auf den Pulten, das Collegium spielt auf Instrumenten aus der Entstehungszeit des Werkes. Und noch eine gute Nachricht: die letzten Szenen für Petr Václavs bereits für vergangenes Jahr abgekündigten Film »Il Boemo« über den Komponisten Josef Mysliveček, dem Václav Luks‘ Ensemble Musik und musikalische Szenen beisteuert,  konnten im Herbst, rechtzeitig vor dem neuen Lockdown, in Venedig fertiggestellt werden. Im Herbst soll »Il Boemo« in unsere Kinos kommen. Mit dabei sind neben Václav Luks und dem Collegium 1704 unter anderem Sopranistin Raffaella Milanesi und Tenor Krystian Adam.

Natürlich hoffen wir, daß die Neuen (musikalischen) Blätter bald schon wieder Konzertberichte über das Collegium 1704 schreiben können. Wir werden demnächst aber auch die Videos und die Rameau-Aufnahme genauer behören. Mehr dazu im nächsten Heft (Ausgabe 40 / geplant im Mai).

CD-Tip: Deborah Cachet, Caroline Weynants, Mathias Vidal, Benedikt Kristjansson, Benoit Arnould, Collegium 1704, Collegium Vocale 1704, Václav Luks (Leitung): Jean Philippe Rameau »Les Boréades« (Gesamtaufnahme, 3 CDs), erschienen bei Chateau de Versailles Spectacles

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