MittwochsMusik der Lukaskirche im Doppel

René Pape mit Antonín Dvořáks Biblischen Liedern

Die Lukaskirche in Dresden ist seit jeher eine Musikkirche, die neben ihrer aktiven Gemeinde auch viele mitgestaltende, künstlerische Gäste hat. Nicht zuletzt ist sie bis heute ein wichtiger Ort, an dem in Dresden Aufnahmen entstehen. Die Reihe der Musikalischen Andachten hat daher von Seiten der Sängerinnen, Sänger und Musiker ebenso Zulauf wie von Seiten der Besucher. Wenn auf dem Programm dann ein Name wie der René Papes steht, ist der Andrang besonders groß. Somit war es naheliegend, die MittwochsMusik gestern zweimal stattfinden zu lassen – die zulässige Bestuhlung war zu beiden Gelegenheiten besetzt.

Natürlich verfügt der Bassist über eine unverkennbare, einmalige Stimme. Die Biblischen Lieder von Antonín Dvořák sind allerdings auch ein einmaliges, wunderschönes Programm oder Werk – nicht zu vergleichen mit anderen Psalmvertonungen.

Dabei hatte der Komponist hinreichend persönlichen Anlaß, sich damit zu befassen. Seine Situation in Amerika, fernab der Heimat, entsprach wirtschaftlich durchaus nicht den Erwartungen, brachte sogar Sorgen mit sich, das Heimweh machte ihm zu schaffen, hinzu kamen ganz persönliche Verluste. Pfarrer Stephan Hoberg versuchte, diesen Hintergrund zu erfassen und dem Publikum zu erhellen – manches ließe sich vielleicht mit Parallelen zu unserer Zeit sehen.

Die Lieder sprechen natürlich für sich, treffen ihre Aussage im Kern und erfassen den Zuhörer ganz emotional. Entstanden ist das Opus 99 mit Klavierbegleitung, doch gibt es auch Orchesterfassungen, die man als um vieles geglückter ansehen darf als manche Bearbeitung eines Schubert-Liedes. Denn anders als dessen intime Sphäre spricht bei Dvořák oft eine sinfonische Stimme mit. Katharina Pfeiffer fand in den ersten fünf Liedern auf dem Flügel Stimmungen und Bilder wieder, wie die »Flammenmeere« des ersten Liedes (Wolken und Finsternis hüllen Sein Antlitz) – nicht eine opernhafte Ausgestaltung mag Dvořák im Sinn gehabt haben, sondern eine effektvolle Stimmungsbeschreibung.

René Pape trug die Lieder im tschechischen Original vor (die Übersetzung war auf den Programmzetteln nachzulesen), mit slawisch-rundem Melos, einer raumfüllenden, tief in die Brust zielenden Stimme, die nuanciert Konsonantenspitzen glättete oder dramatisch zuspitzen konnte, während die Vokale tönend tragen durften – die Spannweite, mit der er dynamische Schattierungen fächerte, sein Timbre dosierte, winzige pointierte Spitzen setzte oder eben die weite Geste bot, zeigte, wie groß Dvořáks Lieder sind. Im vierten (»Der Herr ist mein Hirte«) fand er leise Töne, mit denen er eine Abgewandtheit darstellte und einen Klang, der von weiter Ferne käme, imitierte. In Katharina Pfeiffer fand er eine gestaltungssichere Begleiterin.

Noch wichtiger war sein eigener Sinn, Dosierung und Raffinesse einzusetzen, im zweiten Teil des Zyklus‘ den nun ein Ensemble (sogar mit Oboe / Johannes Pfeiffer) spielte und einem sanften Echo der Viola (Andreas Kuhlmann). Papes Stimme konnte süß versprechen, nach Halt suchen, aber auch wogen und fließen wie ein kraftvoller Wasserstrom (»An den Wassern zu Babel«). Im ganzen offenbarte sich aber eine ungeheure Poesie, die in Geistlichen Liedern ihresgleichen suchen.

Mit einem freudigen »Singet dem Herrn ein neues Lied«, das ganz volkstümliche Melodien aufgriff, entließen René Pape und das kleine Ensemble bereits ihr Publikum – wer hätte da nicht gerne noch länger gehört? Aber Pape machte lächelnd Zeichen »hinaus, hinaus« – denn es hieß die Kirche zu räumen und zu lüften, draußen wartete schon die zweite »Schlange« auf Einlaß.

22. April 2021, Wolfram Quellmalz

In der nächsten MittwochsMusik spielen Musiker der Dresdner Philharmonie und Barbara Christina Steude (Sopran), Annekathrin Laabs (Alt), Jonas Finger (Tenor) sowie Clemens Heidrich (Baß) die Bachkantate »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen« (BWV 12).

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