Galant und elegant

Musikalische Andacht in der Auferstehungskirche Dresden-Plauen

Die Epoche der Nach-Bach-Zeit, gemeinhin als »galant« bezeichnet, lohnt immer wieder einer näheren Betrachtung, denn zwischen den mächtigen Polen von Barock und Klassik ist sie nur zu Unrecht hintangestellt. Weder in der Vielfalt noch im Ausdruck läßt sie etwas missen, von »Beiläufigkeit« kann keine Rede sein.

Insofern war das Programm der Musikalischen Andacht in der Auferstehungskirche schon höchst interessant, begann es doch mit einer Flötensonate Georg Philipp Telemanns und leitete sogleich zu einer Sonate Carl Philipp Emanuel Bachs über, den mehr als nur die Gleichheit des Vornamens mit Telemann verbindet – dieser war Pate von Johann Sebastians zweitältestem Sohn. Während der in Berlin und Hamburg wirkte, hatte der Weg des Erstgeborenen unter anderem nach Dresden geführt. Hier verbrachte Wilhelm Friedemann wichtige Jahre als Organist an der Sophienkirche, pflegte über sein Amt hinaus musikalische Kontakte, sein Vater besuchte ihn mehrfach (wohl auch um der Gelegenheit, Kontakt mit dem Sächsischen Hof zu bekommen) und besuchte mit diesem Aufführungen der Hofoper.

Einen musikdramatischen Widerhall dieses großen, weiten und wichtigen historischen Brückenschlags fand man in den drei Werken des Abends in der Tat nicht. Denn die Galanterie der Werke lag durchaus darin, auf höchstem Niveau und nobel zu unterhalten, was schon Telemanns Sonate h-Moll (TWV 41h4) vermochte. Aleksandar Nikolaev (Traversflöte), Diethard Krause (Barockcello) und Andreas Hecker (Cembalo) kehrten die harmonische Gediegenheit des Werkes aus der »Tafelmusik« leuchtend heraus. Aleksandar Nikolaev fand im weichen Ton der hölzernen Flöte die Leichtigkeit des Vogelgesangs, Diethard Krause und Andreas Hecker setzten in der nicht minder eleganten Begleitung manchen Akzent. Mit kleinen, aber maßvollen Beschleunigungen oder dynamischen Zuspitzungen hoben sie das Werk deutlich über unterhaltsam-hübsche Tändelei.

Daß solche Musik weniger der Unterhaltung als der Seelenpflege dient, strich Dr. Michael Führer, Pfarrer i. R. heraus. In Psalmtexten kann man Besinnung, Fokus und Trost finden, einen Trost, den die Musik noch verstärkt. In dieser Zeit voller Trostlosigkeit(en) wollte Michael Führer deren keine weiteren hinzusetzen, lenkte statt dessen die Gedanken zurück auf die Musik und deren Gehalt. So wenig, wie die Galante Musik gedankenlos ist, sollten wir gedankenlos leben und nur abwarten. Sein Sinnen einmal für den Augenblick von den Trostlosigkeiten abzuwenden, bedeute schließlich nicht, gedankenlos zu leben. Der Weg des unreflektiert und floskelhaft wiederholten »alles gut« sei schließlich keine Lösung.

Carl Philipp Emanuel Bachs Flötensonate G-Dur (Wq 133), die sogenannte »Hamburger Sonate«, gilt heute als eines seiner bedeutsamsten Kammermusikwerke, vielleicht sogar des ganzen 18. Jahrhunderts. Sie beginnt gesanglich ähnlich wie Telemanns Tafelmusik, schwingt sich aber bald mit federnder Virtuosität nach oben – zum Licht, zur Luft. Dem Trio gelang hier das Kunststück, mitzureißen und zu beleben, mit dem Aufstreben einen Punkt der Stabilität zu setzen.

Daß Wilhelm Friedemann Bachs Sonate e-Moll weniger bedeutend, weniger virtuos sei als die des in (oder mit) der Flöte versierteren Bruders kann man eigentlich nicht sagen (oder sollte solche Vergleiche vielleicht gar nicht anstellen?). Verblüffend war, was Wilhelm Friedemann seiner Sonate über die virtuose Schau hinaus an Form und Stimmung mitgab. Im zweiten Satz, einem Siciliano, formuliert er ein Wiegenlied im Mondschein und öffnet bereits die Tür zur Klassik. Erneut wahrten die drei Spieler darin den Triocharakter – zum Galanten gehört eben auch, die Flöte zwar in den Vordergrund zu rücken, sie aber eben nicht so aufs »Podest« zu heben wie einen Solisten. Diethard Krause hatte am folgenden Sonnabend übrigens noch Gelegenheit, eine vergleichbare Rolle im Rahmen der Dom-Musik in Meißen einzunehmen (Rezension folgt).

15. Mai 2021, Wolfram Quellmalz

Die nächste Musikalische Andacht in der Dresdner Auferstehungskirche widmet sich mit französischer Musik nicht nur der Flöte (Magdalena Greuner), sondern auch der Barockoboe (Hyon-Song Dupuy). Daniel Thiele (Gambe und Barockcello) und Andreas Hecker (Cembalo) werden begleiten. Termin: 28. Mai, 19:30 Uhr

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