Internationale Dresdner Orgelwochen sorgen für musikalisches Wetterleuchten
Geplant war eigentlich ein amerikanischer Gast, doch die c-bedingten Reisebeschränkungen standen dem entgegen. Für das Orgelkonzert in der Dresdner Kreuzkirche fand sich jedoch kurzfristig äußerst hochwertiger »Ersatz«: Domorganist Willibald Guggenmos von der Kathedrale St. Gallen. Im Vorgespräch, das sich natürlich auch kurz um den neugewählten Kreuzkantor [Martin Lehmann soll das Amt im Sommer 2022 antreten, NMB werden berichten], den Guggenmos kennt und schätzt, freute sich der Organist nicht zuletzt über das hiesige Instrument – die Jehmlichorgel kommt in Charakteristik und Anlage der Hausorgel in St. Gallen von der renommierten Schweizer Orgelbaufirma Kuhn recht nahe (allerdings hat Dresden 80 Register, St. Gallen »nur« 79, stellten Willibald Guggenmos und Kreuzorganist Holger Gehring fest).
Das anschließende Programm übertraf das Vorgespräch und die ob des Titels »Blitz und Donner – Glockenläuten und Engelsmusik« gewachsenen Erwartungen noch deutlich. Einerseits, weil es so viele »neue« Werke enthielt, also solche, die selten zu hören oder deren Urheber gar nicht geläufig sind, andererseits, wegen ihres oft illustrativen Charakters und Guggenmos’ lustvollem Spiel.
Er fand in Guy Ropartz Introduction et Allegro moderato, Augustinus Franz Kropfreiters Improvisation über Themen von Anton Bruckner oder Jacques Vogts Fantaisie-Orage nicht nur Blitz und Donner, sondern malte diese prächtig aus. Dabei ließen sich Regenschauer, Wolkenbrüche, grelle Blitze und dräuender Donner aus der Ferne ebenso unterscheiden wie das Zucken nahender Gewitter oder das Wetterleuchten im Nachklang. Wirklich erfrischend war, daß die Gleichung Donner = Getöse eben nicht galt. Auch in Ropartz‘ Kaskaden lag somit Melodiösität und Klang – solches Maß erlaubte es, über weite Strecken bzw. Wiederholungen Steigerungen abzubilden oder ein Abklingen zu zeichnen.
Manches mag man so nur von diesem Organisten hören – die Noten von Kropfreiters Improvisation hatte der Komponist nicht hergeben wollen, da rekonstruierte sie Willibald Guggenmos kurzerhand nach einer Aufnahme aus dem Jahr 1990. Mit Philip Glass‘ Etude 5 wiederum gab es ein im Ursprung Klavierstück, die zuletzt durch eine Aufnahme Vikingur Olafssons recht bekannt wurde. Olafsson spielte sie freilich auf einem Steinway, Modell D.
Erstaunlich war auch Siegfried Karg-Elerts Rondo alla Campanella Opus 156, das den sonst oft modern, etwas spröde klingenden Komponisten in die Nähe romantischer Impressionisten rückt, während sich Olivier Messiaens Méditation VI (Epiphanie) sehr expressiv zeigte (zumindest expressiver, als man es bei einer Meditation vielleicht erwarten würde). Seine »Engelsmusik« aus der Oper »Saint Francois d’Assise« dagegen war ein bezaubernd schlichter Abendgesang.
In manchen Toccaten, man denke nur an die Klavierstücke von Schumann oder Prokofjew, liegt an sich schon ein Gewitter. In Henri Mulets Toccata Tu es petra lag ein solcher, sich über manche Terrasse steigernder Sturm – beeindruckend!

29. Juli 2021, Wolfram Quellmalz
Die Internationalen Dresdner Orgelwochen gehen weiter. In der kommenden Woche spielt Bine Katrine Bryndorf (Kopenhagen) in der Dresdner Frauenkirche, am 18. August gibt es das nächste Konzert in der Dresdner Kreuzkirche (Peter Peinstingl, Erzabtei St. Peter Salzburg mit österreichischen Improvisationen). Beginn: jeweils 20:00 Uhr.
