Christian Tetzlaff und Lars Vogt

mdr Musiksommer auf der Wartburg

Nach einem guten Monat war der mdr Musiksommer – der 30. mittlerweile – am Freitag zu Gast auf der Wartburg. Die Konzertreihe hier gehört zu den ältesten im Kalender des mdr und ist eine besondere – der Sängersaal der Wartburg ist in jeder Hinsicht ein Erlebnis, das schon mit der Anreise und dem Aufstieg zur Burg beginnt.

Das Konzert kann diese Eindrücke noch überbieten, zumindest, wenn Musiker wie Christian Tetzlaff (Violone) und Lars Vogt (Klavier) kommen. Daß sich beide lange kennen und einander freundschaftlich verbunden sind, ist eigentlich nur eine Fußnote, keine unwichtige allerdings, denn fürs gegenseitige Verständnis – auch in musikalischer Hinsicht – ist die Verbundenheit natürlich essentiell.

Die drei Stücke des Abends repräsentierten unterschiedliche Musikepochen und Blickrichtungen, waren an sich unabhängig voneinander. Unbeeinflußt sind die Kompositionen jedoch nicht gewesen, denn so wie Franz Schubert die Größe und Bedeutung seines Zeitgenossen bereits erkannt hatte, war Ludwig van Beethoven auch für Dmitri Schostakowitsch – ähnlich wie Bach – ein kompositorischer Reibungspunkt und in manchem vielleicht Richtmaß.

Die Komposition von Opus 30 Nr. 1 bis 3 (1802 entstanden) ist im Schaffen Ludwig van Beethovens mit einer besonderen Randmarke, dem Beginn seiner Ertaubung, verbunden. Was die Krankheit und vor allem die Ungewißheit um deren Verlauf und mögliche Behandlungserfolge (bzw. alternativ eine falsche, negative Gewißheit in diesen Dingen) für den Komponisten bedeutet haben mögen, läßt sich kaum nachvollziehen, höchstens in Ansätzen belegen und interpretieren. Mit seinem in dieser Zeit verfaßten »Heiligenstädter Testament« hat Beethoven immerhin einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt und seine Ängste formuliert. Die erste der drei Sonaten ist jedoch vollkommen frei von trüben Gedanken oder gar Ängsten, viel eher scheint ihr noch der romantisch-verliebte Gestus der »Zärtlichen Liebe« (geschrieben 1795) innezuwohnen. Christian Tetzlaff fand dafür ungemein lyrische, vor allem im ersten Satz geradezu zärtliche, feminine Züge, was Lars Vogt von einer kernigen Gegenstimme nicht abhielt – die Frage, wer hier wen begleite, hatte Beethoven ohnehin gerade neu  aufgeworfen und definiert. Das Adagio molto expressivo ließ das Duo liedhaft schweben, wobei nicht nur Melodiestimme und Begleitung gattungsgerecht aufschienen, auch fanden beide zu einer besonders verfeinerten, klaren Artikulation. Zwar mag das Finale der Sonate fast traditionell oder noch à la Mozart scheinen, Christian Tetzlaff und Lars Vogt zeigten aber, daß Beethoven bereits deutlich kecker war.

Dmitri Schostakowitsch befand sich 1947 / 1948, als er seine Sonate Opus 134 schrieb, in einer Lebenskrise. Der zuvor gefeierte Held war im Rahmen der unsäglichen Formalismusdebatte in der Sowjetunion in den Fokus der Parteibonzen geraten – den Wandel von Verehrung zu Verfolgung sollte Schostakowitsch mehrfach in seinem Leben kennenlernen. Anders als bei Beethoven (oder Schumann) scheint sein Werk aber nicht unbelastet, wenngleich es sich frei und ungebremst aufwirft, nach oben schwingt, als suchte es nach neuen Wegen. Rauh, herb und (im Verhältnis zum vorangegangenen Stück) lauter gebärdete sich Schostakowitschs Sonate unter den Händen von Christian Tetzlaff und Lars Vogt, enthielt tragische Anklänge ebenso wie ein Neckspiel der beiden Interpreten, die einander musikalisch zu imitieren schienen. Das Andante wurde mit einem Tremolo erfrischt, bevor sich das Stück über Allegretto und den Schlußsatz aus Largo – Andante – Largo steigerte. Schostakowitschs Wildheit fingen Christian Tetzlaff und Lars Vogt präzise ein, verliehen ihr Stimme, Emotion und eine differenzierte Schichtung, in der der Baß nicht nur Begleitung war, sondern für Akzente sorgte. Vor allem beeindruckten sie dabei, weil sie nichts »abriefen« oder den Regeln gemäß »lieferten«, sondern aus dem Moment, der Empfindung entspringende Musik spielten. Im Unspektakulären liegt mitunter die größte Faszination!

Von Franz Schubert heißt es, er wäre kein guter Tänzer gewesen oder habe nicht gern getanzt, dafür aber um so lieber für seine Freunde aufgespielt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb viele seiner Werke tänzerische Elemente aufweisen. Im Rondeau (ohnehin auf einen Tanzsatz zurückgehend) h-Moll (D 895) verquickten Christian Tetzlaff und Lars Vogt unbeschwerte Fröhlichkeit mit virtuoser Kunst – nicht nur zum eigenen Vergnügen, sondern auch zu jenem des Publikums. Dafür durften sie gerne noch Beethovens Schlußsatz aus Opus 30 Nr. 3 anfügen. Das Allegro vivace war nicht weit weg vom Schubert’schen Tanzvergnügen.

31.Juli 2021, Wolfram Quellmalz

Die Reihe der Wartburgkonzerte im Rahmen des mdr Musiksommers ist in diesem Jahr beschränkt. Im August folgen noch zwei Klavierabende mit den Brüdern Lucas und Arthur Jussen (21. August), eine Woche später ist Ragna Schirmer (28. August) mit ihrem Programm »Widmungen« (Musik von Frédéric Chopin und Friedrich Kalkbrenner) zu Gast. Die Konzerte finden um jeweils 17:30 Uhr und um 19:30 Uhr statt.

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