Moritzburg Festival Akademie krönt Jahrgang 2021 mit einem Konzert im Kulturpalast
Nach zwei langen Konzerten im Rahmen des Hauptprogramms sowie drei Orchesterauftritten »On Tour« spielten die Akademistinnen und Akademisten am Sonnabend im ersten Finale des Moritzburg Festivals, bevor am Sonntag das traditionelle Abschlußkonzert auf der Schloßterrasse den wirklich letzten Akt für dieses Jahr vollzog. Auch im Dresdner Kulturpalast und in der Formation des Moritzburg Festival Orchester blieb es – trotz der sinfonischen und Konzertliteratur – durchaus kammermusikalisch.
Dafür sorgte nicht zuletzt Josep Caballé Domenech, der Chefdirigent des MFO, der sorgsam die Solisten ins Verhältnis zum Orchester setzte, also zu den Instrumentengruppen und Solisten darin. Denn Ludwig van Beethovens Tripelkonzert Opus 56 gleicht über weite Strecken einer Synthese aus Konzert und Kammermusikstück. Und selbst da waren die drei Solisten – Kevin Zhu (Violine), Jan Vogler (Violoncello) und Juho Pohjonen (Klavier) noch unterschiedlich wahrnehmbar. Nicht nur in ihren Rollen und Stimmen, sondern in ihrer Individualität. Daß sie dennoch zu einem Klaviertrio verschmolzen, zeugt vom gegenseitigen Verständnis, Respekt und nicht zuletzt der Lust am Spielen und Probieren.
Gleichermaßen lustvoll war so auch das Beobachten und Hinhören – untrennbar verbunden – wie sich Kevin Zhus feinnerviger, oft lyrisch tragender Ton mit Jan Voglers schwärmerischem, sanguinischen Cello verband, wie Juho Pohjonen für perkussiven Kontrast zu sorgen wußte, aber gleichermaßen die beiden anderen Solostimmen sanft wiegend umschlang. Im Gegenüber fanden sich (wieder) mit allem romantischen und draufgängerischen Kolorit ausgestattete Soli, die den Schatten eines Hintergrundes ebensogut zeichnen konnten wie sie spiegelnde Reflexe einfügten. Stellvertretend für die vielen hochwertigen Akademisten seien die beiden Fagotte (Adriana Gonçalves und Sevgi Varol) genannt, die schon an den Kammermusikabenden angenehm aufgefallen waren. Sie sorgten auch im Finalsatz für wohldosierte Akzente. Das Rondeau alla Polacca hatte exotische Raffinesse wie tänzerisches Temperament, und doch ließ Josep Caballé Domenech nicht »die Zügel schießen« – Temperament und Schlußakkord sind eben auch bei Beethoven längst nicht immer mit Revolution gleichzusetzen.
Solches Maß tat auch Robert Schumanns zweiter Sinfonie gut, bei der sich zu den superben Hörnern (Aurora Sæterhaug Bye und Valeria Sullmann) noch die Posaunen hinzugesellten, die für Besucher jetzt sozusagen exklusiv zu erleben waren, denn beim Picknick und der »Langen Nacht« hatten sie noch keine Auftritte gehabt. Vom Heraufdämmern des Beginns entwickelte das MFO romantische Verve, am glücklichsten gelang aber wohl das Adagio espressivo.
Die Entdeckerfreude und der Gestaltungswille der Akademisten erschöpften sich in den beiden epochalen Meilensteinen aber keineswegs, und so hatten sie schon zu Beginn – ein »Mitbringsel« des Chefdirigenten? – mit der Ouvertüre zu »Los esclavevor os felices« Juan Crisóstomo de Arriaga für einen Farbtupfer im Tableau ihres Programms gesorgt, der jedes vorab gegebene oder im Programmheft verzeichnete Versprechen einlöste. Das viel zu jung verstorbene Genie hatte seine Noten im romantischen Gestus mit Feuer und Farbe aufs Papier geworfen – hier wurden sie mit Leidenschaft zum Leben erweckt. Daß am Ende noch eine Ouvertüre, zu Rossinis »La Cenerentola«, als Zugabe folgte, schien da beinahe logisch. Vielleicht wendet sich das MFO dereinst einer ganzen (Kammer)oper zu, wer weiß?
22. August 2021, Wolfram Quellmalz
Das Moritzburg Festival findet 2022 vom 7. bis 21. August statt. Konzertaufzeichnungen des aktuellen Jahrganges gibt es noch bis zum 27. August auf Dreamstage zu erleben: