Capella de la Torre in der Dreikönigskirche

Heinrich Schütz Musikfest empfängt Residenzkünstler

Insgesamt sechsmal treten Katharina Bäuml und ihre Capella de la Torre während des Heinrich Schütz Musikfestes in Mitteldeutschland auf. Am Sonntag waren sie zur Eröffnung ihrer Residenz in Dresden in der Dreikönigskirche zu Besuch. Als Gäste hatten sie Heinrich Schütz und Claudio Monteverdi »dabei« – daß Heinrich Schütz nach Venedig gereist war, um sich (dezidiert beim zweiten Besuch 1628 / 29) mit den Werken Claudio Monteverdis zu befassen, ist bekannt. Ob sich die beiden Großmeister jedoch tatsächlich begegnet sind, kann man nur vermuten, gesichert ist es nicht.

Im Konzert am späten Sonntagnachmittag trafen sie definitiv aufeinander. Katharina Bäuml wollte Bezüge zwischen ihren Kompositionen offenlegen, weniger vielleicht in motivischen Gleichheiten und Ähnlichkeiten als in der Kompositionsweise, dem Umgang mit dem musikalischen Material. Und so berührten sich einmal Stücke, die in anderen Programmen sonst – mitunter streng – getrennt sind: kurze, heitere Lieder stießen an Ausschnitte großer liturgischer Werke wie etwa Monteverdis Marienvesper. Die Dichte eines engen Spannungsbogens ergab sich so zwar nicht, doch band die Capella de la Torre manche Stücke nacheinander und enger zusammen. Manchmal auch »gegen den Strich«, wie bei Heinrich Schütz‘ Psalmvertonung »Es steh Gott auf« (SWV 356, aus den Symphoniae sacrae II), auf die unmittelbar »Zefiro Torna« aus Claudio Monteverdis Scherzi musicali folgte – tief im Text verankerte Gottgläubigkeit traf auf griechische Mythologie. Und bei diesem Treffen offenbarten sich tatsächlich Gemeinsamkeiten, denn in Dramatik und Atmosphäre bedienen sich Komponisten ihrer Mittel nicht unmittelbar davon abhängend, ob sie ein weltliches oder geistliches Werk (zur Unterhaltung gar) schöpfen.

Ohnehin verpflichtet der Name Capella de la Torre zu einem flexiblen (nicht leichtfertigen) Umgang mit Werken. Der Name ließe sich vielleicht »Turmmusikanten« übersetzen, wohlgemerkt nicht allein Turmbläser, denn neben Laute, Orgel und Violone trugen auch Pauken, Trommeln und andere Perkussionsinstrumente kräftig dazu bei, Rhythmen zu prägen. Ein Paukenschlag ist bei der Capella de la Torre nicht allein ein Mittel, Schicksal oder Zäsur zu kennzeichnen, Mike Thurnbull erwies sich manches Mal als treibende Kraft und stetiger Puls hinter Madrigalen, Liedern oder instrumentalen Titeln.

Und so lockte vor allem der Quervergleich, der vielleicht in zwei Liedern um einen Text kulminierte: Claudio Monteverdi hatte in »Chiome d’oro« (koloraturprächtig von Margaret Hunter präsentiert) ebenso wie Heinrich Schütz die »Güldenen Haare« (SWV 440) von Aurore in Noten gefaßt – die Schütz’sche Weise wurde höchst lebendig von den Spielleuten nacherzählt.

Derart nach Gattung und Instrumentierung (wie auch Auffassung) unterschiedliche Beiträge verlangen vor allem ein flexibles Sängerensemble. Margaret Hunter und Viktoria Wilson (Sopran), Jaro Kirchgessner (Altus), Martin Logar und Minsub Hong (Tenor) sowie Julian Popken (Baß) fühlten sich verblüffend wandelbar in Monteverdis und Schütz‘ Welten, wobei vor allem Julian Popken mit seiner melodischen, tragenden Stimme begeisterte, während Jaro Kirchgessner wieder einmal besonders Akzente zu setzen wußte.

Am innigsten fand das Sextett mit der Capella de la Torre wohl doch in Monteverdis Polyphonie und den Madrigalen zusammen – oder diese bergen schlicht die größere Tiefe im Vergleich zu heiteren, anmutigen oder (zum Tanzen) animierenden Stücken. Gerade dann, wenn der (wegen der Programmzusammensetzung) recht plötzlichen Dramatik im Glaubensbekenntnis der verweilende Klang eines Sanctum entgegenstand und in ein erlösendes Amen mündete, erzielte Katharina Bäuml die größten Effekte und dankbaren Applaus.

11. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz

Auch in den kommenden Tagen gibt es musikalische Begegnungen mit dem HSMF an Orten wie der SLUB, der Dreikönigskirche, dem Altes Pumpenhaus und im Palais im Großen Garten (erstmalig im Festsaal!).

http://www.schuetz-musikfest.de/

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