Ein bißchen wie Weihnachten

Kreuzvesper zum Reformationsfest

Auf dem Programmheft zur gestrigen Kreuzvesper in der Dresdner Kreuzkirche war der Reformator Martin Luther abgebildet. Damit war nicht nur ein Bezug zum folgenden Sonntag, dem Reformationstag gesetzt, wer das Haus gut kennt oder aufmerksam beobachtete, erkannte das Bild bald wieder: es war eine Reproduktion der rechts im Altarraum stehenden Tafel. Dem Sandsteinrelief von Ernst Paul steht eines gegenüber, das Philipp Melanchthon zeigt – der Begriff der Reformation kann gerne weiter gefaßt und nicht nur auf den einen Namen bezogen werden.

Die musikalische Gestaltung der Vesper lag einmal mehr in den Händen von Kreuzorganist Holger Gehring, der gemeinsam mit der Capella Sanctae Crucis Dresden vor allem Kantaten präsentierte – in dieser Häufung bzw. Dichte durchaus ungewöhnlich für eine Vesper. Vor allem stand Dieterich Buxtehude im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens, eine absolut bereichernde Fokussierung! Mit seiner Choralbearbeitung »Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort« (BuxWV Anh. 11) hatte Holger Gehrig die Gemeinde zunächst gegrüßt.

Mit Franz Tunders Kantate »Ein feste Burg ist unser Gott« traten die vier Solisten Birte Kulawik (Sopran), Dorothea Zimmermann (Alt), Sebastian Reim (Tenor) und Clemens Heidrich (Baß) in Aktion und sogleich verbreitete die Capella Sanctae Crucis Dresden in der Sinfonia pastorale Farben – bei Dietrich Buxtehude sollten sie in den Instrumentalsätzen wiederkehren. »Pastoral« hat eben viele Bedeutungsebenen: Neben den (mindestens) seit dem Mittelalter bekannten festlichen Musiken der Piffari oder den ländlich-idyllischen Überhebungen (Beethoven) gibt es eben auch religiöse, gleichwohl ebenfalls festliche Anlässe. Die tiefe Verwurzelung, Verankerung der »Feste-Burg«-Verse Martin Luthers gehören sicherlich dazu.

Auch Dieterich Buxtehudes »Alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken« (BuxWV 4) nahm den Faden des feierlichen Glaubensbekenntnisses und der Zuversicht in der Hinwendung auf, was in seinem Magnificat primi toni (BuxWV 203), eindrucksvoll an der großen Orgel intoniert, und einer weiteren Kantate, »Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort« (BuxWV 27), noch einmal bekräftigt wurde. Das »Kreisen um ein Zentrum« wurde noch durch die Lesung von Superintendent Christian Behr verstärkt – das Schöne lag diesmal weniger in einzelnen (Wieder)entdeckungen, sondern darin, daß sich eine dem Feiertag gemäße Stimmung entfalten konnte, in der Konzentration der Kantaten auf das Solistenquartett (ohne unterschiedliche Besetzungen für Solisten und Chor / Choral) bis hin zum Dresdner Amen von Johann Gottlieb Naumann, das zu solchen Anlässen nicht fehlen darf.

Über das musikalische Erlebnis hinaus können solche Veranstaltungen Zuversicht geben und Hoffnung stärken oder einfach verbindlich und vermittelnd sein – der Reformationstag ist eben nicht Halloween!

31. Oktober 2021, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Sonnabend werden Kreuzkantor Roderich Kreile und der Dresdner Kreuzchor ausschließlich Werke von Heinrich Schütz in der Kreuzvesper singen. Die Vesper zählt zum Themenfestival »Vom Leben – Über Leben« des Festjahres Schütz22. An der Orgel begleitet Kreuzorganist Holger Gehring, Liturg: Holger Milkau.

Weitere Informationen unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de und http://www.schütz22.de/

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