Nun komm, der Heiden Heiland

Kreuzvesper zum 2. Advent

So auf ein minimales Maß reduziert können selbst die Kreuzvespern nicht jede Trübsal einfach wegblasen. Immerhin versuchen sie es und helfen als »Gegenmittel«, auch wenn gerade beim Gemeindegesang (derzeit als Abschluß der Vesper) und allein der 1. Strophe von »Nun komm, der Heiden Heiland« das Gefühl eines Mangels blieb.

Der musikalische Kern der Andacht war dennoch reichhaltig, denn Kreuzorganist Holger Gehring leuchtete das Thema in fünf Werken aus, Superintendent Christian Behr nahm den Faden auf, daß der 2. Advent ja nicht nur Fröhlichkeit in Aussicht stelle. Gerade apokalyptische Visionen zeigen, wie dringend wir mitunter der Zuversicht bedürfen. Dabei könnten wir in vielem von unserem Wissen und Erfahrungen profitieren – Wissen und Erfahrungen, die man zu Zeiten von Pest und Cholera noch gar nicht hatte. Wir hätten doch letztlich viel Anlaß, mit Zuversicht und Hoffnung unsere Häupter zu erheben.

»Nun komm, der Heiden Heiland« ist ein altes Adventslied aus dem 4. Jahrhundert, das Martin Luther übersetzt und in unserem Kulturraum verankert hat, die uns bekannte Melodie wiederum (Urheber Ambrosius schrieb gleich mehrere) stammt wohl aus dem 12. Jahrhundert. Das Lied gehört gleichzeitig zu den bekanntesten und beliebtesten und ist im Evangelischen Gesangbuch unter der Nr. 4 eingetragen. Schaut man in der Musikliteratur nach, finden sich dazu viele Bearbeitungen und Choralvorspiele. Man kann sich der Kraft des Liedes, des Textes auch kaum entziehen.

Holger Gehring spielte Stücke von Dieterich Buxtehude (Choralbearbeitung BuxWV 211) und Johann Sebastian Bach (Choralbearbeitungen BWV 659 bis 661), ließ wieder einmal den früheren Kreuzkantor Gottfried August Homilius in zwei Choralbearbeitungen erklingen und fügte dem noch Heinrich von Herzogenbergs Orgel-Phantasie »Nun komm, der Heiden Heiland« hinzu. Darin zeigte sich – ganz unterschiedlich – das Kommen bzw. Ankommen. Musikalisch bricht sich der Heiland wie Licht durchs Dunkel seinen Weg, mit zarter Singstimme bei Buxtehude, mit Sternenflimmern bei Bach, der auf die schlichtere Bearbeitung BWV 659 zwei höchst artifizielle folgen ließ (zu Beginn bereits hatte Holger Gehring Fantasia und Fuga g-Moll BWV 542 gespielt).

Gottfried August Homilius gab dem Lied um den Heiland eine besondere Gewichtung mit heiterer Einleitung und umspielender Begleitung, einer deutlich ernsteren (oder mahnenderen) Themenführung in der zweiten Bearbeitung. Heinrich von Herzogenberg verlegte das Thema gar in den Pedalbaß, wo es noch an Gewicht gewann. Sein Adagio scheint beinahe beiläufig wie ein Intermezzo, vor allem, weil die abschließende Allegrofuge solch eine Steigerung in sich birgt, daß man zuweilen die Kirchenbank unter sich zu vibrieren spürt. (Interessant sind Nähe und Unterschiede zu den Orgelsonaten Felix Mendelssohns, der sich darin auch auf Choralthemen bezog.)

Einen Nachklang gab es nach der knappen Stunde noch mit den Bläsern vom Kreuzkirchenturm.

5. Dezember 2021, Wolfram Quellmalz

In der Kreuzvesper zum 3. Advent stehen am kommenden Sonnabend, 17:00 Uhr, unter dem Titel »Ehre sei Gott in der Höhe!« Werke der Romantik von César Franck und Max Reger auf dem Programm. Ausführende: Jennifer Riedel (Sopran), Kreuzorganist Holger Gehring (Orgel). Es gilt die 3G-Regel

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