Kreuzvesper zum 3. Advent
Das derzeit knappe Format der Kreuzvespern unter einer Stunde legt nahe oder erfordert eine Konzentration des Programms. Am Sonnabend wurde wieder einmal deutlich, daß die mit Konzentration einhergehende Verkürzung oder Verkleinerung jedoch nicht das Ziel, sondern die Folge ist – die Folge einer großen Unmittelbarkeit und Hinwendung.
Für die Vesper mit dem Titel »Ehre sei Gott in der Höhe!« hatte Kreuzorganist Holger Gehring Werke von César Franck und Max Reger ausgesucht. Sie machten den Unterschied von Advent und Weihnachten, aber auch deren Nähe oder Zusammengehörigkeit deutlich – der Advent ist noch nicht das Fest, sondern eine Zeit der »Ankunft«, nicht zuletzt von Licht und Hoffnung. Der Festglanz darf dabei schon durchschimmern, wie in César Francks Pastorale für Orgel Opus 19. Der Pastoralcharakter lag nicht nur im dunkel-samtig umhüllenden Grundrhythmus, er brach sich vor allem in der Oberstimme Bahn, mit der sich das Thema herabsenkte, als käme es aus dem Sternenhimmel. Mit den Holzbläserregistern erinnerte das Stück zudem an den Ursprung der Pastorale bei den Piffari, den Hirten und ihrer Musik.
Max Regers »Weihnachten« Opus 145 Nr. 3 für Orgel nimmt das nahende Fest zwar im Titel bereits voraus, bleibt aber mit einer geradezu stillen Musik bei dessen Ankunft. Der Komponist hat darin verschiedene Adventlieder wie »Es kommt ein Schiff geladen« oder »Vom Himmel hoch« verarbeitet, was den erzählerischen Gestus noch verstärkt.
Der Freude auf die Ankunft verlieh auch Regers Weihnachtslied »Ehre sei Gott in der Höhe!« Ausdruck. Jennifer Riedel ließ ihren Sopran von der Orgelempore leuchten, was den »von-oben«-Effekt noch vertiefte, Holger Gehring wechselte im Refrain von der harmonischen, aber untergeordneten Begleitung in die Duettrolle, denn Reger hatte dem Sopran als Choral das »Vom-Himmel-hoch«-Thema gegenübergesetzt. Sozusagen für etwas Sternenfunkeln sorgte Jennifer Riedel mit dramaturgisch maßvoll gesetzten Trillern.
Wie zuletzt gab es statt des Wortes zum Sonntag Lesungen. Pfarrer Holger Milkau hatte in drei Teilen das tröstende Wort, das Recht (bzw. kein Recht) zum Richten sowie den Lobgesang des Zacharias gegenübergestellt.
»Vom Himmel hoch, da komm ich her« fand noch einmal Einzug ins Programm, diesmal mit Max Regers Invocation (aus der zweiten Orgelsonate Opus 60). Das von Martin Luther geschriebene Adventslied setzt nach einem bedachtsamen Beginn (Ankunft) seinen Ausruf kraftvoll, Holger Gehring ließ ihn mächtig, aber nicht übermächtig durchs Kirchenschiff fluten, so daß das Stück jeden erfassen konnte. Der wiederum stille Ausklang hatte einen ganz anderen Charakter als der ruhige Beginn, denn er trug den mitreißenden Nachklang der Invocation in sich.
Das festlichste, himmlischste Stück gab es vor dem Abschluß (Strophe 1 aus EG 16, »Die Nacht ist vorgedrungen«) zu hören, noch einmal mit César Franck: »Panis Angelicus« aus der Messe solennelle Opus 12. Und auch hier, im knappen Raum weniger Zeilen, loteten Jennifer Riedel und Holger Gehring den Gestaltungsraum bis zur Wiederholung der Schlußzeile konzentriert aus. Draußen gab es nach dem Läuten noch die Bläser vom Turm der Kreuzkirche zu erleben.
12. Dezember 2021, Wolfram Quellmalz
In der kommenden Woche gestaltet Kreuzorganist Holger Gehring die Vesper zum 3. Advent unter dem Titel »Magnificat«. Liturgie: Superintendent Christian Beer. Es gilt die 3G-Regl. Weitere Informationen unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de