Krzysztof Urbański und Jonathan Biss holen einen Teil des Beethoven-Jubiläums nach
Der Pianist Jonathan Biss hatte für das Beethoven-Jubiläum im letzten Jahr ein Projekt ins Leben gerufen, zu dem unter anderem ein neues Klavierkonzert von Brett Dean gehörte. »Gneixendorfer Musik – eine Winterreise« ist gleichzeitig ein Auftragswerk an den ehemaligen Composer in Residence (2019 / 2020) der Dresdner Philharmonie, an dem sich auch andere Orchester beteiligt hatten. Am Wochenende wurde es – nach einem Jahr nachgeholt – im Kulturpalast als deutsche Erstaufführung gespielt.
Den »Rahmen« bildeten zwei Stücke, die schon Michael Sanderling bei der letzten Aufführung innerhalb seines Beethoven-Zyklusses (2018) kombiniert hatte: die Coriolan-Ouvertüre sowie das fünfte Klavierkonzert.
Dirigent Krzysztof Urbański sucht den Effekt, will Wirkung erzielen. Kontraste und eine scharfe Konturierung sind ihm wichtig – damit allein läßt sich bei Beethoven manches gewinnen. Ein Drama andeuten zum Beispiel wie in der Coriolan-Ouvertüre, die in der von flankierenden Holzbläsern begleiteten Oboe (Johannes Pfeiffer) an den Beginn des zweiten Fidelio-Aktes erinnerte. Während Urbański den Anfang noch »knallhart« präsentierte (was zu einem unangenehmen Echo aus den leeren Rängen hinter dem Orchester führte), formte er die Wiederholung der Passage milder – Effekt ist eben doch nicht alles, ein Verlauf trägt wesentlich zur inneren Spannung bei.
Die Spannung in Brett Deans Klavierkonzert war fast schon eine äußerliche. Der Komponist hat sich mit vergnüglich erkennbaren Zitaten auf Beethovens Es-Dur-Konzert (»Emperor«), aber auch auf eine Lebensepisode bezogen, als Beethoven bei winterlicher Kälte unüberlegt, überstürzt von seinem Bruder aus Gneixendorf abreiste. Unüberlegt schien der Beginn, denn der Platz am Flügel blieb zunächst leer. Des Rätsels Lösung: Jonathan Biss saß bereits an einem Klavier im Orchester. Weshalb das Stück jedoch zwei Instrumente braucht, ist nicht schlüssig. Unterschiedliche Klangeffekte ließen sich auch an einem Flügel darstellen, ebenso eine Gegenüberstellung oder Symbiose von Solist und Orchester. Der wahrnehmbare Effekt war optisch größer, denn zur impulsiven Musik, die – von einer eisigen Tremolopassagen abgesehen – beständig getrieben wurde, kam noch der mehrfach über die Bühne und durchs Orchester eilende Pianist.
Im einzelnen offenbarte sich das Klavierkonzert effektvoll und machte beim Zuhören durchaus Spaß, die innere Struktur der drei gebundenen, in sich noch mehrfach geteilten Sätze jedoch war schwer nachzuvollziehen, zudem fühlte man sich durchaus beansprucht – was nichts schlechtes sein muß. Vielleicht erschließt sich das Konzert beim zweiten Mal besser?
Dem Publikum längst erschlossen (und deutlich mehr als nur zweimal gehört) ist Ludwig van Beethovens beliebtestes, majestätisches Klavierkonzert. Somit werden die Ingredienzen auch leichter erkenntlich. Krzysztof Urbański hat deutlich an den Spannungsverläufen gefeilt, die manchem im letzten Konzert bei Dvořák noch gefehlt hatten. Das zeigte sich vor allem im ersten Satz, im zweiten Satz dann war Raum, um Schwebungen entstehen zu lassen. Im Vergleich zum Orchester schien Jonathan Biss‘ an sich sehr geläufiges Klavierspiel, das sich anfangs geschmeidig aus dem Orchesterverbund hob, zu perlend und rieselnd. Die fehlende Prägnanz konnte der von Orchester und Pianist eher wuchtig gespielte dritte Satz nicht ganz ausgleichen.
6. Februar 2022, Wolfram Quellmalz
Am kommende Sonntag spielen Chefdirigent Marek Janowski und die Dresdner Philharmonie zum Dresdner Gedenktag Karl Amadeus Hartmanns Concerto funebre für Violine und Streichorchester sowie Johannes Brahms‘ dritte Sinfonie. Davor, bereits am Mittwoch, gibt es einen Kammerabend mit dem Artist in Residence Jean-Yves Thibaudet (Klavier). Seine Partner in Klaviertrios von Joseph Haydn, Anton Arensky und Johannes Brahms sind dann Lisa Batiashvili (Violine) und Gautier Capuçon (Violoncello). Weitere Informationen unter: http://www.dresdnerphilharmonie.de