Die Messe als Fest

Collegium 1704 und Karina Gauvin in der Dresdner Annenkirche

Am Freitag kehrten Václav Luks und das Prager Collegium 1704 in die Annenkirche zurück. Damit fand nicht nur die Musikbrücke Prag – Dresden eine Fortsetzung, der Brückenschlag reichte – wie so oft – weiter und wieder einmal bis nach Italien bzw. Venezien. Neben Jan Dismas Zelenkas Missa 1724 stand Musik von Antonio Vivaldi im Mittelpunkt. Wobei der festliche Akt dieses Musizierens eigentlich schon mit dem Stimmen der alten Instrumente begann, das mehr als nur die Stimmhöhe und Harmonie zwischen Streichern und Bläsern herstellte.

Das Concerto grosso d-Moll Opus 3 Nr. 2 aus den »Harmonischen Eingebungen« (L’estro armonico) von Antonio Vivaldi, vom Collegium funkelnd präsentiert, gehört zu einem seiner bekannteren Werkzyklen. Wie zwei Orchester standen sich im ersten Satz erste und zweite Violinen gegenüber, die der geneinsame Continuo verband. Spätestens im dritten hatte der vitalisierende, elektrisierende Klang die letzten Zuhörer erfaßt.

Derart sensibilisiert war man bereit für erlesene Gesangskunst; eine, die nicht allein auf kapriziöse Spitzen und Koloraturen setzt, sondern vor allem mit Timbre und Gestaltung begeistert. In den Motetten »O qui coeli« (Was ist die Stille / RV 631) und »In furore iustissimae irae« (Im Furor des höchsten Zorns / RV 626) verzauberte Karina Gauvin, auf deren Auftritt Fans fast zwei Jahre warten mußten, ihr Publikum vor allem mit emphatischer Farbgebung und zeichnete süße, himmlische Höhen nach. Der Falle einer zwar effektvoll beeindruckenden, aber übertriebenen Gestaltung entging sie mühelos. Das war wohltuend, schließlich sind beide Werke nicht auf Brillanz bedacht, sondern weisen neben einem – für Motetten typisch – eher kontemplativen Charakter im besonderen Adagio-Arien vor dem abschließenden »Halleluja« auf. Derart einfühlsam präsentiert, ist man glatt geneigt, eine der Alcina-Produktionen des Collegiums mit Karina Gauvin in Brünn (Februar), Versailles (März) oder Caen (Mai) zu besuchen …

Daß auch die berühmte »Verrücktheit« (»La folia«) von Arcangelo Corelli und Francesco Geminiani von Václav Luks nicht auf die Spitze getrieben, sondern sorgsam ausgestaltet wurde, überraschte wohl niemanden. Ein delikates, virtuoses Stück bleibt es so oder so.

Nicht weniger sehnlich erwartet worden als das Orchester war der Chor des Collegium Vocale 1704. Er betrat im zweiten Teil für Jan Dismas Zelenkas Missa 1724 den Altarraum. Mit ihm kamen auch die Posaunen hinzu, welche schon das Christe Eleison des Chores sorgsam ausleuchteten.

Die Messe, deren Teile zunächst einzeln entstanden waren, folgt mit der reichen Besetzung einer prächtigen Darstellung des Textes, sowohl die Solisten (vokal und instrumental) wie die Instrumente betreffend. Katharina Andres und Petra Ambrosi hatten mit ihren Oboen daher auch nicht hinter den ersten Violinen, sondern vorn neben dem Dirigenten Platz genommen und ließen ihren betörenden Gesang nicht allein im Gloria verströmen. Der Chor setzt sich einerseits aus individuellen Solisten wie Helena Zemanová (Sopran), Aneta Petrasová (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Tomáš Šelc (Baß) zusammen, fand aber mühelos zu einer geschlossenen, atemvollen Einheit und krönte seinen Auftritt gerade mit so wirkungsschönen Fugen wie dem Benedictus oder Dona nobis pacem.

12. Februar 2022, Wolfram Quellmalz

Das nächste Konzert der Musikbrücke Prag – Dresden»Chiaroscuro veneziano« finden am 23. März, 19:30 Uhr in der Dresdner Annenkirche statt.

FÜR UNTERWEGS UND ZU HAUSE

Das Collegium 1704 und Karina Gauvin sind in den nächsten Tagen im Janáček Theater in einer Alcina-Produktion zu erleben, die im März noch in Versailles und im Mai in Caen zu sehen sein wird.. Dort hatte das Ensemble vor zwei Jahren auch Jean-Philippe Rameaus »Les Boréades« eingespielt. Mittlerweile erhielt das Album einen weiteren Preis, den Preis der niederländischen Musikkritiker »Edison Klassiek 2021«. Zelenkas Missa 1724 ist in einer Aufnahme, ebenfalls von 2020, erhältlich.

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