Die Eleganz des Kontrabasses

Viktor Osokin stand im Mittelpunkt des 3. Aufführungsabends der Sächsischen Staatskapelle

Partner im 3. Aufführungsabend: Dirigent Lucas Macias Navarro, und Kontrabassist Viktor Osokin beim 3. Aufführungsabend, Photo: © Sächsische Staatskapelle Dresden / Matthias Rietschel

Das waren gleich ein paar musikalische Überraschungen, welche die Musiker der Sächsischen Staatskapelle Dresden gestern mit dem Dirigenten Lucas Macías Navarro als Gast ihrem Publikum boten. Und das begann gleich mit dem ersten Stück, Franz Schuberts »Rosamunde«-Ouvertüre (D 644). Navarro – selbst ursprünglich Oboist – entzückte mit einer Lebhaftigkeit, der sogleich ein Lustspiel oder eine Oper à la Rossini hätte folgen dürfen. Ergötzlich waren schon das Duett Oboe / Klarinette, das mit dem Fagott zum Terzett wuchs und schließlich von der Flöte umspielt wurde. Fröhlichen Schwung und ein Feuerwerk, das tatsächlich an den Komponisten von Cenerentola erinnerte, gaben zudem die Pizzicati der Kontrabässe.

Diesen kam im zweiten Stück eine noch größere Bedeutung zu, bzw. dem einen von ihnen: Viktor Osokin, seit 2017 Solokontrabassist des Orchesters, trat nun als Solist in Nino Rotas Divertimento concertante für Kontrabaß und Orchester auf. Der gebürtige Mailänder ist nicht allein wegen seiner effekt- und niveauvollen Filmmusik bekannt, auch seine klassischen Kompositionen können – wie sich erneut zeigte – ernstgenommen werden und sind keineswegs nur »Ausflüge« in ein anderes Repertoire. Rotas Divertimento jedenfalls überzeugte in dieser superben Darbietung mit Eleganz und Feinfühligkeit des Solisten sowie einem innigen, sinfonischen Miteinander und Gegenüber. Schon im ersten Satz schienen Tremolo und Vibrato von Solist und Orchester, die hierin gleichmehrfach Anknüpfungspunkte fanden, symbiotisch. Im weiteren Verlauf häuften sich solche »musikalischen Korrespondenzen«, die mitunter besonderen Witz bewiesen, wenn etwa Viktor Osokin seinen Kontrabaß mit Flageoletts (und Leichtigkeit) in höchste Höhen steigen ließ und die Flöten ihm darauf antworteten – der Flageolettgriff zielt gerade darauf, einem Saiteninstrument Töne wie von einer Flöte zu entlocken. (Das Flageolett ist ursprünglich ein kleines, der Blockflöte ähnliches Instrument.)

Neben der Unbekümmertheit, mit der Viktor Osokin technische Schwierigkeiten meisterte, gefiel vor allem die Gesanglichkeit seines Instruments, die einem Violoncello nahekam, was keineswegs »normal« und zu erwarten ist. Denn der Kontrabaß ist eben keine noch größere Bauform der Geige, sondern ein Mischling, der Merkmale der Violinen und der Gamben enthält. Ein Grund dafür ist, daß gerade nicht nur die Gesanglichkeit, sondern auch ein kräftiges »Baßgrummeln« im Orchester gebraucht wird. Mit einer »grummelfreien« Kadenz jedoch ging Viktor Osokin in die Zielgerade eines ebenso schönen wie spannenden Stückes.

Überraschendes gab es nach der Pause weiterhin, gleichwohl waren sie nun nicht mehr ganz glücklich. Felix Mendelssohns 1. Sinfonie die Dramatik eines Schubert zu verleihen, ist ein interessanter Ansatz, zumindest, wenn man die Erwartungshaltung einer immer elfenhaften Musik bei Mendelssohn aufbrechen möchte. Hier jedoch ging Lucas Macías Navarro eine Spur zu weit – auch wenn seine Interpretation streckenweise elektrisierend wirkte, geriet sie insgesamt zu rauschhaft und lärmig. Der Feuerwerkseffekt war überflüssig, damit ging nicht zuletzt die Steigerung des Schlußsatzes con fuoco (mit Feuer) sozusagen in zu viel Theaterdonner bzw. Rauch auf (oder unter).

11. März 2022, Wolfram Quellmalz

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