Zweite Musikalische Vesper des Jahres in der Schloßkapelle Moritzburg
Manchmal berühren sich die Generationen gerade noch mit den Fingerspitzen. Am 6. November 1672 verstarb Heinrich Schütz, im selben Jahr wurde die Kapelle des Schlosses Moritzburg eingeweiht – die exakten Daten, wann sie errichtet und vollendet wurde, sind jedoch nicht überliefert. Möglich wäre es also, daß der Sagittarius den Raum noch kennengelernt hat, zumindest Kenntnis wird er gehabt haben.
Seine Musik paßt in jedem Fall hierher – »Mein Herz ist bereit« (SWV 341) aus den Symphoniae Sacrae II verlieh der Vesper am Sonntagnachmittag den Titel. Anne Stadler lieh dem Geistlichen Lied und noch drei weiteren (SWV 282, 344 und 343) ihren hellen mitunter glasklaren Sopran, der je nach Höhenlage unterschiedliche Färbungen annehmen kann, ohne »dickes« Timbre bleibt und mit wenig Vibrato auskommt. Dafür kann er sich behend in Koloraturen hinaufschwingen und Botschaften beflügeln.
Heinrich Schütz war aber nicht nur selbst Gestalter, er pflegte zahlreiche Kontakte zu anderen Musikern und unterrichtete Schüler, wie Matthias Weckmann. Zwei seiner Toccaten versüßten die musikalische Stunde, wobei Jan Katzschke (Cembalo) vorführte, wie Ausdruck und Form perlend vereinten. Das vermeintlich kleine Instrument kann mit Registern die Klangfarbe ändern und, etwa mit Lautenzug, deutlich zurückgenommen klingen, ist gleichzeitig aber auch zu einer konzertanten Brillanz fähig. Diese wirkungsvoll zu erwecken bedarf es jedoch eines bewußten Umgangs mit den regel(ge)rechten Ausführung des Aufbaus und den variablen Tempi.
Vervollständigt wurde das Instrumentarium noch durch Ulrike Titze und Elfriede Stahmer (Barockviolinen) und Sven Rössel (Barockvioloncello). Vincenzo Albrici am Anfang des Programms und Johann Wilhelm Furchheim (bzw. Forchheim) waren im 17. Jahrhundert beide in Dresden tätig und hinterließen Sonaten für zwei Violinen bzw. zwei Solostimmen. Während Albricis Werk von Beginn in italienischer Manier steht, beginnt Furchheims mit zwei dialogisierenden Stimmen, welche aber schließlich mehr und mehr verschmelzen.
Gerade der Wechsel der instrumentalen Stücke betonte noch die kurzen Textvertonungen Schütz‘. Sie verlaufen nicht entlang eines dramaturgischen Fadens, sondern präsentieren eine klare Botschaft, die meist ohne Einleitung sogleich mit der Singstimme beginnt. »Eile, mich, Gott, zu erretten«, »Herr, unser Herrscher« sowie »Meine Seele erhebt den Herren«, der vielleicht bekannteste Text der Auswahl, mußten daher nicht künstlich aufgewertet oder ausstaffiert werden. Für den Pfingstmontag war es ein bewußter, kontemplativer, doch auch fröhlicher Ausklang.
7. Juni 2022, Wolfram Quellmalz
Die nächste Vesper in der Moritzburger Schloßkapelle findet am 3. Juli statt. Dann stehen sich Betrachtungen zu Balthasar Permosers Christus und die Mysterien-Sonaten Heinrich Ignaz Franz (von) Bibers gegenüber.