»Im Zentrum steht der Chor – ein Juwel« (Roderich Kreile)

Kreuzkantor Roderich Kreile festlich verabschiedet

Nach 25 Jahren geht Kreuzkantor Roderich Kreile in diesem Sommer in den Ruhestand. Ob das Wort »Ruhe« zutrifft, mag man heute noch gar nicht absehen, doch zumindest ist er von den dienstlichen Pflichten um den Dresdner Kreuzchor entbunden – im August. Denn die gestrige Kreuzchorvesper war zwar mit einer festlichen Verabschiedung verbunden, doch der »letzte Akt« war sie keineswegs. Schon in der kommenden Woche gibt es noch eine Kreuzchorvesper, dazu die beiden Gottesdienste heute und am 10. Juli, gefolgt von der Sommertournée des Chores mit Auftritten beim mdr Musiksommer. Zehn Konzerte zwischen Naumburg, Hannover, Thalbürgel und Hamburg stehen zwischen 12. und 24. Juli noch einmal auf dem Programm – erst dann ist Roderich Kreiles Amtszeit vorüber.

Begonnen hatte sie im Januar 1997. Damals schon stand Heinrich Schütz‘ »Herr, auf dich traue ich« (SWV 377) auf dem Vesperprogramm, Roderich Kreile wählte die Motette noch einmal für das Programm gestern. Sie eröffnete nach dem festlichen Einzug des Chores zu Johann Christian Kittels Praeludium D-Dur (Kreuzorganist Holger Gehring an der Jehmlich-Orgel) den offiziellen Teil – natürlich hatte die Vesper auch einen liturgischen Wert. Besonders ergreifend gelang Felix Mendelssohns »Jauchzet dem Herrn alle Welt« im Anschluß an die Begrüßung durch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert. Nachdem die erste Zeile (Titel) besonders kräftig in das Kirchenschiff gerufen wurde, entwickelte sich in den folgenden eine großartige Spannung – ein Kreuzchor in Höchstform, konnte man sich freuen.

Und ein trotz und bei allem gegebenem Anlaß fokussierter, offenbar entspannter Kreuzkantor. Denn Roderich Kreile leitete nicht nur die meisten der Chorwerke, er sprang zudem spontan als Mikrophonassistent ein, als es mit der Technik und Verständlichkeit einmal haperte, und erwies sich als Redner mit Dank und Rückblick erneut als (selbst)ironischer Betrachter. Keine unwesentliche Eigenschaft, denn sie ermöglicht eine Distance (auch zu sich selbst), welche in Konfliktfällen die Atmosphäre entspannen kann. Gerade das, die Entspanntheit und Ruhe, honorierten viele in ihren Dank- und Grußworten.

Nicht nur der Kirchenraum war bis zum letzten Platz gefüllt, auch die Liste der Geladenen und Beteiligten war lang: Oberlandeskirchenrat Dr. Thilo Daniel sowie Oberlandeskirchenrat i. R. Christoph Münchow, Superintendent Christian Behr und Pfarrer Holger Milkau teilten sich in die Liturgie, Heike Britz (Schulleiterin Evangelisches Kreuzgymnasium), Martina Schellhorn (Alumnatsleiterin) und Wolfgang Hentrich fanden anerkennende Worte. Der Konzertmeister der Dresdner Philharmonie repräsentierte dabei einen der wichtigsten musikalischen Partner des Kreuzchores und brachte mit einigen seiner Orchesterkollegen das Larghetto aus Antonín Dvořáks Serenade Opus 22 dar – in A-Dur, der Liebestonart, die hier als Blumenstrauß der Philharmoniker diente.

Gruß- und Dankworte nebst einem Ständchen gab es auch von den Kruzianern bzw. deren Abiturjahrgang. Hauspräfekt Carl Landgraf durfte stellvertretend sprechen und überreichte schließlich ein – von den Kruzianern angefertigtes – Portrait Roderich Kreiles. Es soll – ähnlich wie bei den Thomanern in Leipzig – eine Galerie der Kantoren eröffnen.

Musikalisch blieb einiges zu hören: Holger Gehring spendierte der Vesper ein großartiges Adagio aus der Sonate Nr. 1 von Gustav Adolf Merkel, Roderich Kreile und der Kreuzchor besannen sich unter anderem noch einmal auf Arvo Pärt (Which was the son of …, das Werk war zuletzt 2019 bei einem Gastkonzert des eingeladenen Phoenix Boys Choir zu hören gewesen) und den Amtsvorgänger Rudolf Mauersberger, dessen Dankpsalm ebenso zum Programm gehörte.

In seinen Dankesworten entwarf der scheidende Kreuzkantor das Modell eines Kristalls mit vielen Schalen, zu dem viele Beteiligte, Mittragende, Helfende […] gehören und in dessen Zentrum der Chor steht. Daß dieser eine Lebensaufgabe war, die er bis zu seinem Rentenalter wahrnehmen wollte, wußte Roderich Kreile schon, als er 1997 nach Dresden kam.

Noch ist sie, diese Amtszeit, nicht beendet, selbst wenn es bereits viel Blumen, und mehrfach stehenden Applaus gab. Beim Auszug beispielsweise (auch der Einzug hatte stehend, wenn auch noch ohne Applaus, stattgefunden), was selbst für die welterfahrenen Kruzianer neu gewesen sein dürfte. Mit einem innigen Friedenshymnus (jetzt unter der Leitung von Chordirigent Wolfgang Behrend) verabschiedeten sie sich – für den Moment – von der Vespergemeinde. »Verleih uns Frieden gnädiglich« im Satz von Felix Mendelssohn und noch einmal in Begleitung der Dresdner Philharmonie war ein würdevoller, leuchtender Ausklang dieses Festes. Es wird seine Fortsetzung finden – in den nächsten Wochen noch mit Roderich Kreile, danach mit seinem Nachfolger Martin Lehmann.

3. Juli 2022, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Sonnabend werden im Rahmen der Kreuzchorvesper die Abiturienten feierlich verabschiedet: 9. Juli 22, 17:00 Uhr, Dresdner Kreuzkirche, Dresdner Kreuzchor, Kreuzkantor Roderich Kreile (Leitung), Kreuzorganist Holger Gehring (Orgel), Superintendent Christian Behr (Liturgie). Weitere Informationen unter: http://www.kreuzkirche-dresden.de

Hinterlasse einen Kommentar