Richard Wagners »Der fliegende Holländer« auf der Felsenbühne Rathen
Heimatlos ist der Fliegende Holländer. Ob er nun vor Schottland oder in Norwegischen Gewässern auf Daland trifft – die Felsenbühne Rathen bietet schroffe Klüfte, die beide Orte imaginieren lassen, nur die Amseln taugen nicht recht als Möwen …

Was sich seit dem 21. August auf der Freilichtbühne entfaltet, beeindruckt vor allem in seiner Mächtigkeit – einem fast die ganze Bühne einnehmenden Schiffskörper (Ralph Zeger) – aber auch mit subtilen Nuancen und Märchenerscheinungen. Dabei bleibt die Inszenierung von Kai Anne Schuhmacher meist bei den Leisten (oder Wanten, welche einen Segelmast lotrecht auf der Bühne halten), auch wenn sie hier und da verspielte bzw. aufgesetzte Details aufweisen. Daß die Felsenbühne kein Opernhaus ist, spürt man nicht nur am anderen Klang, anders als sonst gibt es eine Pause nach dem zweiten Aufzug, ab und zu fällt ein gesprochenes Wort, das es in der Oper so nicht gibt. Aber solche Ergänzungen fallen maßvoll aus, suchen keinen zusätzlichen Effekt.
Erklären müssen sie nichts, denn die Handlung bleibt nachvollziehbar, die Sänger sind – bis hin zum Chor (Opernchor und Extrachor der Landesbühnen Sachsen) meist sehr gut verständlich, und das, obwohl sie ohne Mikrophon arbeiten. Nur als die beiden Mannschaften im dritten Aufzug aufeinanderprallen, wird der (von hinten kommende) Holländerchor elektronisch verstärkt, damit er gespenstischer klingt.

Das sagenhafte, geheimnisvolle, umwabert diese Aufführung von Beginn. Nicht nur im Bühnennebel, auch in den Figuren. Schon zur Ouvertüre begegnen sich Senta und Holländer (hier noch als Doubles, die später wieder auftauchen, teilweise parallel zu den »echten« Figuren), doch sie sind umgeben von Meerestieren: Kalmar, Quallen und Fische (Kostüme: Valerie Hirschmann) kehren später mit Kreuz oder Aktenkoffer zurück – ist dies der Vorgeschmack auf den Spuk oder spielt sich das alles vielleicht in Sentas Phantasie ab? Trotz mancher überzähliger Symbole bleibt Raum für verknüpfte Details: als der Steuermann (in der von uns besuchten Aufführung Florian Neubauer) Senta (Raffaela Lintl) ein »gülden Band« schenkt, ist dieser Band ein in Gold gefaßtes Buch – passend für das ständig lesende, in die Sage vernarrte Mädchen. Dem Steuermann hat Kai Anne Schuhmacher ohnehin mehr Bedeutung gegeben. Er scheint – mehr noch als Erik (an diesem Abend Young Woo Kim) – ein Anwärter für Senta zu sein.
Doch da ist nichts zu machen: ihr Vater Daland (Michael König), im Programmheft etwas unpassend vorschnell als »zwielichtig« angekündigt (kann der mündige Besucher nicht selbst erkennen, ob und wie Dalands Charakter beschaffen ist?), hat sie längst mit dem erfolgreichen, gleichwohl unbekannten Seefahrer (Rhys Jenkins) vermählt. Senta willigt glühend ein – sie hat den Holländer erkannt.

Ekkehard Klemm (musikalische Leitung) läßt die Dresdner Fassung des Holländers mit der Elbland Philharmonie Sachsen in Rathen wirkmächtig aufbrausen. Die Sängerinnen und Sänger nutzen den Spielraum, ihre Figuren zu gestalten, ihnen mehr Tiefe zu geben – oder aber deren platte Überheblichkeit zu zeigen, wie Michael Königs Daland, der sich erst mit Geld wäscht und später an der Tafel auf den höchsten Platz setzt – in der Tat scheint er aber wenig hellsichtig und verschachert die Tochter billig. Die, Senta, trumpft derweil emotional mehr und mehr auf. Ihre Ballade feuerte sie geschmeidig gegen den Chor der Spinnerinnen (bei Kai Anne Schuhmacher derweil sind es Facharbeiterinnen, die in einer Lagerhalle Fisch und Fischstäbchen sortieren). Solche Gegensätze, und gerade bei Beteiligung der Chöre, fallen immer wieder auf und tragen wesentlich zum geisterhaften Finale bei. Die von allen Seiten bedrängte Senta faßt schließlich einen eigenen Entschluß …
24. August 2022, Wolfram Quellmalz
Noch einmal am 1., 2. und 4. September (am 4. September bereits ab 18:00 Uhr).
http://www.landesbuehnen-sachsen.de
Die Richard-Wagner-Stätten Graupa bieten eine Sonderführung zur Aufführung in Rathen an. Nächste Termine: 1. September , 11:00 Uhr sowie 2. September, 14:30 Uhr.
Zur Seite der Richard-Wagner-Stätten Graupa gelangen Sie hier: http://www.pirna.de/pirna-erleben/veranstaltungen/veranstaltungskalender/veranstaltung/detail/sonderfuehrungen-der-fliegende-hollaender/2272/