Beflügeltes Jubiläumsprogramm

Willibald Guggenmos zu Gast in der Dresdner Frauenkirche

Im vergangenen Jahr war Willibald Guggenmos, Organist in St. Gallen, kurzfristig für einen amerikanischen Kollegen eingesprungen und hatte ein Konzert in der Dresdner Kreuzkirche übernommen. Gestern kam er geplant nach Dresden zurück, um an der Frauenkirche den Abschluß der Internationalen Dresdner Orgelwochen, welche im Sommer den Orgelzyklus noch einmal aufwerten, zu gestalten.

Wie schon im vergangenen Jahr war sein Programm so vielfältig wie fokussiert. Nach »Blitz und Donner« 2021 stand thematisch diesmal eine Kirche im Mittelpunkt, St. Clotilde in Paris, sowie deren wohl wichtigsten und prägendsten Organisten: César Franck. Dessen 200. Geburtstag wird in diesem Jahr gefeiert, weshalb in den Konzerten des Orgelzyklus‘ schon einige Stücke erklungen sind. Gerade die Kern-Orgel in der Frauenkirche bietet dafür viele Möglichkeiten einer sinfonischen Gestaltung.

Photo: NMB

Den Beginn markierte aber Francks Nachnachfolger Charles Tournemire, dessen Choral Alléluiatique II mit aufstrebenden Fanfarenmotiven das »Halleluja« deutlich unterstrich – nicht das einzige Mal an diesem Abend durfte die Orgel jubilieren.

Zunächst aber fiel sie mit Philip James‘ Méditation à St. Clotilde in schwimmende, schwellende Klänge die »nach innen gerichtet« schienen – der Enkelschüler César Francks huldigte dem Ort und dem Komponisten, gab dem schwebenden Werk am Ende dabei noch eine konkrete Wendung durch eine (positive) Öffnungsfigur.

An temperamentvoller Ornamentik hatte Willibald Guggenmos wohl ebensoviel Interesse und Freude wie an gestalterischen Linien und stimmungsvollen Klanggeweben. Die Suite Médiévale Opus 56 von Jean Langlais durchlief viele unterschiedliche Facetten: während der Anfang (Prélude) eine fast deklamatorische Artikulation hatte, sorgte das Ende (Acclamations carolingiennes) wieder für einen Schub, für Jubel und eine Aufwärtsbewegung. Dazwischen lagen drei Sätze von teils feinster Filigranität. Die Improvisation wurde von einem schwebenden Baß gehalten.

Zuvor war César Francks Choral III a-Moll, also das quasi Kernstück des Abends erklungen (im Laufe des Jahres wurden bzw. werden wohl alle drei Choräle sogar mehrfach gespielt, vor allem in der Frauenkirche). Nach dem in sich gekehrten Méditation Philip James‘ hatte es damit einen deutlichen expressiven Ausruf gegeben. Wie bei Tournemire lassen sich ebenso bei Franck Bezüge zu musikalischen Vorlagen feststellen, doch ging dieser bereits sehr frei (und sinfonisch) mit dem musikalischen Material um.

Gleiches läßt sich von Guy Ropartz sagen. Im Vorjahr hatte dessen Introduction et Allegro moderato auf dem Programm gestanden, nun gab es mit Invocation à César Franck noch einen Fingerzeig auf den Jubilar und eine Verarbeitung im Stile bzw. nach der Schule Francks. Daß Ropartz dabei die Gregorianik aufgegriffen hat, ließ sich beim Hören kaum noch vermuten, so kunstreich hat Ropartz sie umgestaltet (bzw. so modern ließ Willibald Guggenmos sie erklingen).

Die sinfonische Polyphonie oder Chromatik beeindruckte noch einmal bei Joseph Jongen, einem weiteren Enkelschüler César Francks. Seine Toccata Des-Dur Opus 104 folgte nicht nur dem Geiste des Vorbildes, sondern auch dem »virtuosen Aufwärts« des Abends. Wie in einem Sog schien das Konzert, war nach knapp einer Stunde vorbei – war es das schon?

Mitnichten! Denn zum Schluß bekam das Publikum, als Überraschung sozusagen, noch eine Psalmvertonung von Benedetto Marcello geboten, Psalm 18 in einer Transkription – erfrischend!

1. September 2022, Wolfram Quellmalz

In der kommenden Woche spielt Thomas Lennartz an der Silbermann-Orgel der Katholischen Hofkirche (Kathedrale). Neben Werken von Johann Sebastian Bach, Louis Vierne und Marcel Dupré erklingen dann auch Improvisationen. Termin: 7. September, 20:00 Uhr.

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