Respekt und Klang

Marek Janowski sorgt bei der Dresdner Philharmonie für ein Aufeinandertreffen von Alban Berg und Anton Bruckner

Nach der Wiedereröffnung des Kulturpalastes 2017 kehrte Marek Janowski nicht nur zu dem Orchester zurück, das schließlich (erneut) »seines« wurde, er trug damals gerade mit seinen Brucknerinterpretationen wesentlich dazu bei, den neuen Konzertsaal akustisch zu erschließen – selbst ein noch so toller Raum klingt nicht von allein. Mit seinem Forschen, wie die Bühnenrampe einzustellen ist, wie der Abstand der Bässe zur Rückwand sein muß, gab Marek Janowski auch anderen Orchestern wichtige Hinweise.

Insofern war es nicht nur schön, sondern spannend, nach 2018 an gleicher Stelle und mit dem gleichen Dirigenten wieder Anton Bruckners neunte Sinfonie zu hören. Auch diesmal stand das unvollendete Werk nicht allein auf dem Programm: statt des dritten Klavierkonzertes von Béla Bartók damals (mit Francesco Piemontesi, der am kommenden Sonntag seine Spielzeitresidenz mit einem Klavierabend beginnt), gab es ein nicht minder interessantes Werk der Moderne oder zweiten Wiener Schule: Alban Bergs Kammerkonzert für Klavier und Geige mit dreizehn Bläsern. Leila Josefowicz (Violine) und Kirill Gerstein (Klavier) waren als Solisten eingeladen, doch die dreizehn Bläser der Philharmonie traten kaum weniger als Solisten auf. Im Gegenteil hatten sie fortwährend zu formen und zu gestalten, während von Klavier und Violine in den ersten Sätzen der eine jeweils lange pausierte, derweil der andere solistisch hervortrat. Vielgestaltig blieben sie alle – Leila Josefowicz hatte kantable Passagen auszusingen, aber auch kratzigen, verfremdeten Klang darzustellen. Kirill Gerstein mischte sich mit tiefem Baß in den Zenit des zweiten Satzes, um später berauschend zurückzukehren. Die fortwährenden Reflexe zwischen den Spielern, das permanente, exzellent vollführte Umformen des Klangs war gerade anfangs voller Wärme, beeindruckte mit einem »quasi Orgelvibrato« der Bläser (Staccato der Bässe) und führte nach wildem Aufruhr und Klage (über den Verlust) schließlich zu einem zarten Schluß mit wie von fern klingenden Bläsern.

Kirill Gerstein am Klavier, Marek Janowski vor der Dresdner Philharmonie, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

Bewegungen und Umformungen des Klangs kennzeichnen auch Anton Bruckners Sinfonien. Das Schwere leicht darzustellen, könnte man dabei als Herausforderung sehen. Beim Hören schien daran weder etwas »schwer« noch »herausfordernd« – geradezu logisch, selbstverständlich leiteten sich die Motive ab. Marek Janowski bezog aus den Wechseln erhabener Themen und schroffer Kanten eine große Spannung, in der zarte Nuancen nicht verschwanden, sondern deutlich hervortraten. Immer wieder ergaben sich so Brückenschläge, etwa zu Beginn des zweiten Satzes, der mit »spitzen« Pizzicati beginnt, die aber nicht nur für Effekt sorgen, sondern einen Impuls gaben, der in den gestrichenen Violinen kurz darauf weiterlebt.

Beindruckend war, wie Marek Janowski die Blöcke, Motive oder Phasen verband, ihre Bezüge hervorhob – gerade im ersten Satz hatte man den Eindruck eines beständigen Wandels, in den sich immer wieder monumentale Bilder ergeben, im Adagio dann wurden auch Pausen wichtig, deren Ruhepunkte jedoch keine Unterbrechung waren, sondern im Fluß der Musik blieben.

Neben den Streichern, die zu einem fast unwirklichen Gesamtklang verschmolzen, waren vor allem die strahlenden Blechbläser (eine riesige Horngruppe!) beeindruckend, die Kanten glätten und prächtig leuchten konnten.

11. September 2022, Wolfram Quellmalz

Diese Woche als Gäste bei der DresdnerPhilharmonie: Hansjörg Albrecht spielt im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ Wagner und Bruckner auf der Eule-Orgel (Mittwoch, 20:00 Uhr), am Sonntag, 18:00 Uhr, präsentiert Francesco Piemontesi (Klavier) ein Programm mit Debussy, Lachenmann und Schubert. Mehr unter: http://www.dresdnerphilharmonie.de

Schreiben Sie einen Kommentar

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Wechseln )

Verbinde mit %s